Kapitulation nach e lebenslangen
Riesenerfolg und Familienglück konnten dem Sänger von Linkin Park nicht aus seiner schweren Depression helfen
Er feierte als Sänger der NuMetal-Band Linkin Park riesige Erfolge: ausverkaufte Arenen, 70 Millionen verkaufte Tonträger, sechs Nummer-einsAlben in den USA, zwei Grammys. Doch all das konnte die Leere in Chester Benningtons Seele nicht ausfüllen: Am Donnerstag trieb eine lebenslange Depression den 41-jährigen sechsfachen Familienvater in den Selbstmord.
„Wirklich das eindrucksvollste Talent, das ich jemals live gesehen habe“, schrieb R’n’B-Sängerin Rihanna auf Instagram. „Er und Linkin Park waren die freundlichsten Leute, die du hoffen konntest zu treffen“, twitterte Rockmusiker Ryan Adams. Die Band Imagine Dragons trauerte: „Keine Worte. So untröstlich.“
Keine zwei Monate ist es her, dass Bennington auf der Beerdigung seines Freundes Chris Cornell „Halleluja“sang. Es war ein letzter Gruß an den Soundgarden-Frontmann, der sich Ende Mai erhängt hat. Nun teilt Bennington das gleiche Schicksal: Auch er hat den Kampf gegen die Depression verloren. Am selben Tag, an dem Cornell 53 geworden wäre. Aus seiner Erkrankung und seinen Suchtproblemen hatte Bennington keinen Hehl gemacht. 2008 offenbarte er in einem Interview, er sei als kleiner Junge von einem Freund der Familie sexuell missbraucht worden. Nach der Trennung der Eltern blieb er beim Vater, fühlte sich von ihm aber vernachlässigt. Auch zur Mutter hatte er kein enges Verhältnis. Seine Enttäuschung darüber betäubte er schon in früher Jugend mit Alkohol, später auch mit Kokain und Crystal Meth.
Als er 1999 bei Linkin Park einstieg, war er ein Junkie, hatte in den brachialen Songs aber endlich ein Ventil für seine Wut und seinen Seelenschmerz gefunden. Seine enorm wandlungsfähige Stimme erlaubte es ihm, schlagartig zwischen melancholischen, melodischen Momenten und markerschütterndem Geschrei zu wechseln. Und die Mischung kam an: Das Debütalbum „Hybrid Theory“von 2000 verkaufte sich rund elf Millionen Mal.
Doch von Kritikern und eingefleischten Metal-Fans wurde Bennington nicht ernst genommen: Zu glatt, zu gefällig klang der Sound der Band. Musikerkollegen hingegen schätzten sein Können: Er sei ein „Held des Hard Rock“mit einer enormen Stimmbreite und einer starken Bühnenpräsenz gewesen, schrieb die Recording Academy, die die GrammyTrophäen verleiht.
Drogen und Alkohol schien Bennington in den vergangenen Jahren im Griff zu haben, die Depression kehrte jedoch immer wieder. Ein ständiger Kampf, in dem der sensible Künstler am Donnerstag dieser Woche endgültig kapitulierte.
Die Band war an dem Tag für ein Fotoshooting verabredet. Ende des Monats sollte es auf Tournee gehen. Noch am Morgen hatten Linkin Park das neue Video zu „Talking To Myself“veröffentlicht.
Doch dann kam ein Notruf aus Benningtons Haus in Palos Verdes Estates, einem Nobelvorort von Los Angeles: Der Musiker hatte sich erhängt. „Depressionen scheren sich nicht um Alter, Rasse, Geschlecht oder Status“, twitterten die kanadischen Rocker-Kollegen Nickelback. „Lasst die, die euch am Herzen liegen, wissen, dass du für sie da bist.“Doch das wusste Bennington. Das Familienglück mit seinen sechs Kindern und seiner dritten Ehefrau, in den sozialen Netzwerken dokumentiert, gab ihm Halt. Und doch hatte es nicht mehr gereicht, um Licht ins Dunkel seiner Seele zu bringen.