Mieter sauer auf IG Bau. Die Gewerkschaft verstieß auch noch gegen Denkmalschutzauflagen!
Borgfelde
Von OLAF WUNDER
Wenn es darum geht, sich öffentlich für die Schwächsten der Gesellschaft einzusetzen, ist die Gewerkschaft IG BAU immer ganz vorne mit dabei. So fordert sie seit Langem ein Gesetz für bezahlbaren Wohnen und mehr sozialen Wohnungsbau. Was allerdings kaum einer weiß: Die IG BAU ist auch Immobilienbesitzer. Und das Verhalten der Gewerkschaft gegenüber den Mietern ist manchmal zweifelhaft.
Nehmen wir zum Beispiel das Gebäude an der Jungestraße 1 in Borgfelde. Bei dem prächtigen Backsteinbau handelt es sich um das sogenannte „Bundeshaus“. 1911 begann hier die Geschichte des Deutschen Bauarbeiterverbandes, einer der stärksten Gewerkschaften der Weimarer Republik. Sie war der Vorgänger der IG BAU.
Das Gebäude, in dem unten immer noch Gewerkschaftsbüros und oben Wohnungen sind, steht unter Denkmalschutz. „Doch das kümmert die IG BAU nicht“, erzählt Doris Embacher, eine Bewohnerin. „Die haben hier vor einem Jahr ein Gerüst aufgestellt und eines Tages damit begonnen, einfach die Balkone abzureißen. Meinen und drei weitere.“
Die Bauarbeiter hätten ihr erzählt, es sei geplant, moderne Ständerbalkone vor die Fassade zu setzen. Daraufhin wählte Doris Embacher sofort die Nummer des Denkmalschutzamtes. Die Sachbearbeiterin, die kurz darauf erschien, habe mit dem Kopf geschüttelt, habe gesagt: „Die haben wirklich ganze Arbeit geleistet.“Dann habe sie die Baustelle stillgelegt. Das war am 14. Juni.
Wie die IG BAU dazu kommt, sich über den Denkmalschutz hinwegzusetzen? Ingo Thaidigsmann, der Geschäftsführer der gewerkschaftseigenen Vermögensverwaltungsund Treuhandgesellschaft (VTG), hat darauf keine richtige Antwort. Angeblich habe man nicht gewusst, dass das Haus unter Denkmalschutz gestellt sei. Die Balkone hätten heutigen Sicherheitsanforderungen nicht mehr entsprochen und
„Wir bedauern die entstandenen Unannehmlichkeiten.“Ingo Thaidigsmann, IG BAU
deshalb habe man sie entfernen müssen.
Die Kulturbehörde betont, dass es dazu jedoch einer Genehmigung bedurft hätte. Es handele sich bei dem Haus selbstverständlich um ein Denkmal. Jetzt muss geklärt werden, wie es weitergeht. Thaidigsmann von der VTG betont, man werde zusammen mit der Behörde „eine denkmalgerechte Lösung entwickeln“.
Aber es gibt noch mehr Probleme: Was passiert mit dem Baugerüst in der Zeit bis zur Wiederaufnahme der Arbeiten (vermutlich nicht vor 2018)? Mieterin Embacher fordert, dass es entfernt wird. „Ein Jahr steht es schon da, nimmt uns das Licht und ist eine Einladung für Einbrecher.“
Dann ist da noch die ziemlich fragwürdige Baustellensicherung: Öffnet Doris Embacher die Tür zum nicht mehr vorhandenen Balkon, verhindert nur noch ein dünnes Sperrholzbrettchen von 80 Zentimetern Höhe, dass sie in die Tiefe stürzt.
Gegenüber der MOPO versicherte die IG BAU, dass man die Baustellensicherung überprüfen werde. Auch werde man prüfen, ob das Gerüst vorläufig beseitigt werden kann. „Wir bedauern die Unannehmlichkeiten, die unseren Mietern entstanden sind.“
Die Hausbewohner werfen der Gewerkschaft vor, „Wasser zu predigen und Wein zu saufen“. Will heißen: Anderswo energetische Sanierung fordern, das eigene Haus aber verkommen lassen. Das Gebäude habe einen Renovierungsstau. Von reparaturbedürftigen Fenstern und Treppenhäusern ist die Rede und von einem Dach, das ungedämmt ist. Die IG BAU investiere eben nur, wenn’s gar nicht anders gehe, und so billig wie möglich, monieren die Mieter.
Eine billige Lösung für das Balkon-Problem wird es kaum geben. Nach MOPOInformationen werden die Denkmalschützer auf einer Wiederherstellung des Originalzustands bestehen. Und das dürfte ein Vermögen kosten.