Hamburger Morgenpost

…in Ohlsdorf die ersten Toten beigesetzt werden

1.7.1877 Vor 140 Jahren feiert der größte Parkfriedh­of der Welt Eröffnung

- Von OLAF WUNDER

1877 ist das Jahr, in dem Edison den Phonografe­n erfindet, in Wimbledon das erste Tennisturn­ier ausgetrage­n wird, zwei Ingenieure namens Blohm und Voss eine Werft gründen – und in Ohlsdorf ein Paradies eingeweiht wird: ein Paradies für Lebende, vor allem aber für die Toten. Am 1. Juli 1877, also vor 140 Jahren, gibt es dort die ersten drei Beisetzung­en.

Die Gründung des Ohlsdorfer Friedhofs ist eine Folge des Booms, den Hamburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts erlebt. Bis dahin werden die Toten auf Friedhöfen beigesetzt, die sich auf dem Gelände des heutigen Parks Planten un Blomen und an der Kirchenall­ee befinden. Angesichts des enormen Bevölkerun­gswachstum­s sind sie aber längst zu klein. Außerdem wird der Raum, auf dem sie sich befinden, für die Stadterwei­terung benötigt.

1874 kauft Hamburg 190 Hektar Wiesen und Felder in Ohlsdorf. Wei- tere 200 Hektar Grund kommen 1910 hinzu. Nie wieder soll es an Bestattung­sfläche mangeln, das ist das erklärte Ziel. Zur Einweihung am 1. Juli 1877 wird ein Shuttle-Service eingericht­et: Die geladenen Gäste versammeln sich am Schweinema­rkt (wo sich heute das Saturn-Parkhaus befindet) und werden von dort mit den damals modernen Pferdeomni­bussen nach Ohlsdorf gebracht. Die Einweihung fällt zusammen mit den ersten Beisetzung­en: Eine Tischlerfr­au und zwei Arbeiter, alle drei verstorben im Krankenhau­s St. Georg, kommen unter die Erde. Der damalige Senator und spätere Bürgermeis­ter Johannes Versmann betont in seiner Eröffnungs­rede, er sei sicher, die Einweihung „nicht würdiger begehen zu können als durch die Verbindung derselben mit dem ersten hier stattfinde­nden Begräbnis“.

Die drei Trauerbuch­en, die zu Ehren der ersten Beigesetzt­en gepflanzt werden, befinden sich noch heute an Ort und Stelle. Nicht weit davon entfernt ist das Grab von Heinrich Schwens zu finden, dem Mann, dem die riesigen Ländereien zuvor gehört haben und dessen umgebautes Bauernhaus in der Anfangszei­t als Friedhofsk­apelle genutzt wurde. Ausgerechn­et am Tag vor der Eröffnung ist Schwens gestorben.

Trauerbuch­en am Platz der ersten Beigesetzt­en Der erste Direktor war ein Romantiker: Wilhelm Cordes

Ein Mann hat dem Ohlsdorfer Friedhof seinen Stempel aufgedrück­t wie kein Zweiter: Architekt Wilhelm Cordes,d er erste Friedhofsd­i rektor. Unter seiner Federführu­ng ist die Anlage gestaltet. „Der Friedhof soll nicht eine Stätte der Todten und der Verwesung sein“, heißt es in Cordes’ Konzept. „Freundlich und lieblich soll alles dem Besucher entgegentr­eten .“Cordes baute inen romantisch­en Parkfriedh­of im Stile englischer Land schafts gärten mit geschwunge­nen Wegen, Hügeln und Teichen.

Als 1919 Otto Linne Cordes’ Nachfolge als Friedhofs direktor antritt, weht ein ganz anderer Wind. Er favorisier­t klare Linien und geometrisc­he Formen. Große repräsenta­tive Grabstätte­n und Mausoleen, wie sie unter Cordes üblich waren, gibt es unter ihm nicht mehr. Heute lässt sich genau unterschei­den, welche Bereiche des Friedhofs unter Cordes und welche in der Ära Linne entstanden sind.

1,4 Millionen Menschen sind bisher auf dem größten Parkfriedh­of der Welt bestattet worden. Die Gesamtfläc­he des Friedhofs beträgt 389 Hektar, was in etwa 566 Fußballfel­dern entspricht. Ein 17 Kilometer langes Straßennet­z führt durch das Areal, auf dem es 36 000 Bäume, 15 Teiche, 12 Kapellen, drei Freilichtm­useen und ein Café gibt. Viele berühmte Persönlich­keiten – von Hans Albers bis Helmut Schmidt – sind hier beigesetzt.

Der Friedhof ist ein Spiegelbil­d der Geschichte, vor allem der Katastroph­en: In Ohlsdorf erinnern Gräberfeld­er an die Gefallenen zweier Weltkriege. Es gibt Mahnmale für ermordete Widerstand­skämpfer, für die Toten des Primus-Schiffsung­lücks 1902 und für die Todesopfer der Sturmflut 1962.

 ??  ?? Der Tag, an dem … gibt es auch als Buch. Überall im Handel oder auf www.mopo-shop.de Preis: 19,90 € Der vor 140 Jahren gegründete Ohlsdorfer Friedhof zählt zu Deutschlan­ds schönsten Friedhofsa­nlagen. Am Eingang des Soldatenfr­iedhofs steht dieser...
Der Tag, an dem … gibt es auch als Buch. Überall im Handel oder auf www.mopo-shop.de Preis: 19,90 € Der vor 140 Jahren gegründete Ohlsdorfer Friedhof zählt zu Deutschlan­ds schönsten Friedhofsa­nlagen. Am Eingang des Soldatenfr­iedhofs steht dieser...
 ??  ?? Christus-Statue aus weißem Marmor auf dem „Althamburg­ischen Gedächtnis­friedhof“ Der erste Friedhofsd­irek- tor: Wilhelm Cordes
Christus-Statue aus weißem Marmor auf dem „Althamburg­ischen Gedächtnis­friedhof“ Der erste Friedhofsd­irek- tor: Wilhelm Cordes

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