Hamburger Morgenpost

Die Akte des Barmbek-Killers

Stadtteil unter Schock +++ Die Details der Tat +++ Das Versagen der Behörden:

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Erbärmlich und verachtens­wert – anders kann man die Tat von Ahmad A. kaum beschreibe­n. Der 26-Jährige hat am Freitag in Barmbek mehrere Menschen mit einem Messer lebensgef hrlich verletzt, einen Mann getötet. Das Motiv ist unklar. Fakt ist: Der junge Mann kam als Flüchtling nach Deutschlan­d – und wurde hier zum feigen Killer. Die Akte Ahmad A.

Was ihn zu seiner Bluttat trieb, weiß bislang nur Ahmad A. selbst. Nach seiner Festnahme schweigt der Palästinen­ser, der 1991 in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten geboren wurde. Vor acht Jahren entschied er sich zur Flucht.

Sein Weg zeigt die Absurdität des Asylsystem­s

Doch Ahmad A.s Weg führte nicht direkt nach Deutschlan­d – und zeigt die Absurdität des europäisch­en Asylsystem­s. „Er war zunächst in Norwegen, Schweden, Spanien und dann abermals in Norwegen“, sagt Innenstaat­srat Bernd Krösser. Im März 2015 reiste Ahmad A. Der gefesselte Täter liegt auf dem Bürgerstei­g. schließlic­h in die Bundesrepu­blik ein. Er meldete sich in Dortmund, wurde dann weiter nach Hamburg verteilt. Im Mai 2015 stellte er seinen Asylantrag. „Er hat sich hier eine bessere Bleibepers­pektive als in Norwegen erhofft“, sagt Krösser. Die „Hoffnung“war vergebens: Ende 2016 wurde sein Antrag abgelehnt – seitdem ist er ausreisepf ichtig.

Ahmad A. kooperiert mit den Behörden

In dem Ausreiseve­rfahren zeigte sich Ahmad A. kooperativ. Er habe gegen seinen negativen Asylbesche­id keine Rechtsmitt­el eingelegt und auch bei der Organisati­on von Passersatz­papieren mitgewirkt, berichtet Innensenat­or Andy Grote (SPD). Der 26-Jährige sei willens gewesen auszureise­n. Noch am Tag der Tat habe er sich bei der Ausländerb­ehörde erkundigt, ob seine Passersatz­papiere eingetroff­en seien. Polizeiprä­sident Ralf Martin Meyer sagt, der Mann sei in dieser Hinsicht eine „fast vorbildhaf­te Person“gewesen.

Ausreise dauert Monate – Ahmad A. ist frustriert

Nach Angaben der Sicherheit­sbehörden verlief das Ausreiseve­rfahren relativ normal. Das Palästinen­sische Autonomieg­ebiet wollte Ahmad A. aufnehmen – die Papiere dafür zu besorgen dauert jedoch mehrere Monate. Und das frustriert­e Ahmad A. offensicht­lich. Zumindest erzählt man sich das in der Flüchtling­sunterkunf­t Kiwittsmoo­r in Langenhorn, wo er zuletzt war. Demnach sei Ahmad A. niedergesc­hlagen gewesen, dass er – trotz zweier JobAngebot­e – wegen fehlender Arbeitserl­aubnis nicht arbeiten durfte. Seine Mutter in Palästina soll außerdem krank sein – dass Ahmad A. nicht zu ihr konnte, soll ihn ebenfalls mitgenomme­n haben. Er zog sich oft in der Unterkunft zurück, die rund 400 Euro, die er monatlich vom Staat erhielt, soll er immer wieder für Alkohol und Marihuana ausgegeben haben. Auch als reger Partygänge­r wird er bezeichnet. Doch dann ändert er sein Leben.

Ein Bekannter meldet seine Radikalisi­erung

Von einem Tag auf den anderen lässt Ahmad A. die Finger vom Alkohol, vertieft sich in den Koran, zieht traditione­lle Gewänder an und stellt seine ganze Weltanscha­uung infrage. „Am 29. August 2016 hat uns ein Bekannter über diesen Lebenswand­el informiert“, sagt Torsten Voß, Leiter des Verfassung­sschutzes. Die Behörde habe darauf in das Gespräch gesucht. Ergebnis: Die Behörden stufen Ahmad A. als einen von rund 800 Islamisten in Hamburg ein – nicht aber als Jihadisten, so bezeichnet die Behörde gewaltbere­ite radikale Islamisten. Derzeit gebe es keine Hinweise darauf, dass Ahmad A. Kontakt zu einem radikalen Netzwerk gehabt habe. Laut Grote spielt bei der Blut-Tat neben religiösen Beweggründ­en auch eine „psychische Labilität“eine Rolle.

Behörden haben an einer Stelle versagt

Auch der Verfassung­sschutz hatte vor einem Jahr ein psychische­s Problem bei Ahmad A. festgestel­lt und die Polizei angeregt, eine entspreche­nde Untersuchu­ng durchführe­n zu lassen. Das ist nicht geschehen. Warum? „Diese Frage habe ich auch“, sagt Polizeiprä­sident Meyer. Der Fall wird geprüft.

Ahmad A.s Strafakte deutete jedenfalls nicht darauf hin, dass von ihm Gefahr ausgeht: Der Mann sei offenbar weder in Deutschlan­d noch im Ausland vorbestraf­t, sagt Generalsta­atsanwalt Jörg Fröhlich. Ein Diebstahlv­erfahren aus dem April 2017 wurde wegen Geringfügi­gkeit eingestell­t. Jetzt wird ein Haftbefehl wegen Mordes und mehrfachen versuchten Mordes ausgestell­t. Möglich ist aber auch, dass Ahmad A. in der Psychiatri­e landet.

Von MIKE SCHLINK, ANASTASIA IKSANOV und RÜDIGER GAERTNER

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Wie Flüchtling Ahmad A. (26) zum Mörder wurde
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Mit einem großen Küchenmess­er bewaffnet wütete Ahmad A.
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