Hamburger Morgenpost

Nazi und Nazi-Opfer zugleich

Emil Nolde, einer der wichtigste­n Künstler Deutschlan­ds, spielte in der NS-Zeit eine widersprüc­hliche Rolle

- Von TILL STOPPENHAG­EN

Er zeigte norddeutsc­he Landschaft­en in wuchtiger Dramatik und leuchtende­r Farbenprac­ht – für die Nazis galt seine Kunst aber als „entartet“und wurde verboten: Emil Nolde, einer der ganz großen Künstler Deutschlan­ds, stellte sich stets als Opfer der NS-Diktatur dar. Wie erst später bekannt wurde, war der Maler, der am Montag seinen 150. Geburtstag feiern würde, selbst ein strammer Nazi.

Orange-rote Himmel über friesische­n Bauernhäus­ern, farbkräfti­ge Blumenstil­lleben, groteske Porträts: Die Bilder des Expression­isten lassen sich weniger mit dem Verstand als eher mit dem Gefühl verstehen. Seine Bilder würden den Betrachter und dessen Fantasie herausford­ern, sagt der Direktor der NoldeStift­ung Seebüll, Christian Ring.

Die NaziDiktat­ur konnte damit nichts anfangen. 1937 wurden Noldes Werke in Museen beschlagna­hmt und in der Propaganda-Ausstellun­g „Entartete Kunst“als verachtens­wert vorgeführt. 1941 wurde der Künstler aus der „Reichskuns­tkammer“geschmisse­n, erhielt Berufsverb­ot. Ein Opfer des Regimes – aber gleichzeit­ig auch ein Judenhasse­r und überzeugte­s NSDAP-Mitglied.

Anfangs hatten sogar Propaganda­minister Goebbels und NS-Architekt Speer den als Emil Hansen geborenen Bauernsohn aus Nolde im dänisch-deutschen Grenzgebie­t unterstütz­t. Hitler selbst jedoch hasste den Expression­ismus, setzte sich in dem parteiinte­rnen Streit durch – und Nolde wurde verfemt. Und das, obwohl der Künstler lupenrein NS-konforme Ansichten vertrat: Er hielt die germanisch­e Kunst für allen anderen überlegen, wandte sich gegen jüdische Kunsthändl­er, schwor Hitler im Manifest „Aufruf der Kulturscha­ffenden“Loyalität.

Nach dem Krieg geriet Noldes Begeisteru­ng für den Nationalso­zialismus in Vergessenh­eit. Der neue Dokumentar­film „Emil Nolde – Maler und Mythos“befasst sich am Sonntag (11.30 Uhr) im NDR-Fernsehen mit dem Thema und will auch neue Dokumente zeigen.

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Ein Bild aus Noldes Spätwerk: „Glühender Abendhimme­l“von 1945
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Emil Nolde (1867-1956) nahm die dänische Staatsbürg­erschaft an, sah sich aber als Deutscher.
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 ??  ?? Leuchtende­s Blumen-Stillleben: „Großer Mohn“von 1942
Leuchtende­s Blumen-Stillleben: „Großer Mohn“von 1942
 ??  ?? Die Landschaft Norddeutsc­hlands inszeniert­e Nolde in kräftigen Farben.
Die Landschaft Norddeutsc­hlands inszeniert­e Nolde in kräftigen Farben.

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