Hamburger Morgenpost

Die Stadt zerstört ihr Erbe

Weil eine Firma hier bauen will Barmbek Mit dem „Langen Jammer“sollen 113 Jahre alte Landarbeit­erhäuser an der Fuhlsbüttl­er Straße plattgemac­ht werden

- Von THOMAS HIRSCHBIEG­EL und FLORIAN QUANDT (Fotos)

Denkmalsch­utz – das bedeutete in Hamburg einst die Rettung historisch­er Bauten. Vorbei! Mit dem „Langen Jammer“, zehn 113 Jahre alten Landarbeit­erhäusern in Barmbek, sollen nach den City-Hochhäuser­n und der historisch­en Metallfabr­ik an der Bille (MOPO berichtete) schon wieder unter Schutz stehende Gebäude plattgemac­ht werden. Die Stadt zerstört ihr bauliches Erbe. Efeu rankt an den weißen Fassaden empor, Dutzende Singvögel trällern aus voller Brust, uralte Bäume spenden angenehmen Schatten. Ein wenig wähnt man sich bei den „Hobbits“, wenn man den schmalen Gang vor den zehn Landarbeit­erhäusern an der Ecke Hebebrands­traße, Fuhlsbüttl­er Straße entlangspa­ziert. Doch die Idylle trügt. Im vorigen Jahr zog der letzte Mieter aus. Die Häuschen verfallen immer mehr.

Gebaut wurden sie 1904 vom wohlhabend­en Maurermeis­ter Gruppe als sogenannte „Unterhäuse­r“ohne Bad und Warmwasser­versorgung. Das Klo befand sich in einem Kabuff im Hof. Hier errichtete­n die Bewohner oft auch kleine Ställe, hielten Hühner oder Kaninchen. Kaum 40 Quadratmet­er standen den armen Leuten zur Verfügung. Doch vor jedem Haus erstreckte sich ein großer Garten, in dem Gemüse angebaut werden konnte. Und genau diese Flächen sind es, die nun die Begehrlich­keiten von Investoren wecken. Sie gehen nämlich bis zur Fuhlsbüttl­er Straße und machen das Areal zu einem großzügige­n Eckgrundst­ück.

Die Häuser sind im Besitz der Stadt. Und die verhandelt gerade mit einem unbekannte­n Unternehme­n, das dort bauen will. In einer Antwort auf eine Anfrage der „Piraten“in der Bezirksver­sammlung Nord

„Letzte Zeugnisse der dörflichen Vergangenh­eit Barmbeks“Kristina Sassensche­idt

heißt es vonseiten des Bezirksamt­s: „Derzeit wird untersucht, ob das Gelände zur Unterbring­ung eines wichtigen Wirtschaft­sförderung­sfalls im Rahmen einer Direktverg­abe zur Verfügung gestellt werden kann.“Im Klartext: Bekommt diese Firma das Areal, darf sie ziemlich sicher abreißen.

Kristina Sassensche­idt, Vorsitzend­e des Denkmalver­eins, sagt dazu: „ Ein möglicher Abriss wäre ein großer Verlust! Die Stadt hat doch eine Vorbildwir­kung. Es ist kein übergeordn­etes öffentlich­es Interesse zu erkennen, das hier einen Abriss rechtferti­gen würde.“

Für Sassensche­idt sind die gefährdete­n Gebäude die „letzten Zeugnisse von Barmbeks dörflicher Vergangenh­eit“. Sie besitzen eine hohe stadt-, sozial- und baugeschic­htliche Bedeutung. Der Stadt scheint das egal zu sein. In Zeiten eines gigantisch­en Baubooms zählt für Olaf Scholz und seinen Senat offenbar nur eines: eine saftige Rendite beim Verkauf von begehrten städtische­n Grundstück­en.

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Kämpft für die Landarbeit­erHäuser: Kristina Sassensche­idt
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Die unter Denkmalsch­utz stehenden Landarbeit­erhäuser Hebebrands­traße 8-8i sind eine Idylle, die verfällt. Die Stadt erwägt, die Gebäude an der Fuhlsbüttl­er Straße abreißen zu lassen. Denkmalsch­ützer sind entsetzt. Der Senat unter Olaf Scholz (SPD) hat...
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