Die Stadt zerstört ihr Erbe
Weil eine Firma hier bauen will Barmbek Mit dem „Langen Jammer“sollen 113 Jahre alte Landarbeiterhäuser an der Fuhlsbüttler Straße plattgemacht werden
Denkmalschutz – das bedeutete in Hamburg einst die Rettung historischer Bauten. Vorbei! Mit dem „Langen Jammer“, zehn 113 Jahre alten Landarbeiterhäusern in Barmbek, sollen nach den City-Hochhäusern und der historischen Metallfabrik an der Bille (MOPO berichtete) schon wieder unter Schutz stehende Gebäude plattgemacht werden. Die Stadt zerstört ihr bauliches Erbe. Efeu rankt an den weißen Fassaden empor, Dutzende Singvögel trällern aus voller Brust, uralte Bäume spenden angenehmen Schatten. Ein wenig wähnt man sich bei den „Hobbits“, wenn man den schmalen Gang vor den zehn Landarbeiterhäusern an der Ecke Hebebrandstraße, Fuhlsbüttler Straße entlangspaziert. Doch die Idylle trügt. Im vorigen Jahr zog der letzte Mieter aus. Die Häuschen verfallen immer mehr.
Gebaut wurden sie 1904 vom wohlhabenden Maurermeister Gruppe als sogenannte „Unterhäuser“ohne Bad und Warmwasserversorgung. Das Klo befand sich in einem Kabuff im Hof. Hier errichteten die Bewohner oft auch kleine Ställe, hielten Hühner oder Kaninchen. Kaum 40 Quadratmeter standen den armen Leuten zur Verfügung. Doch vor jedem Haus erstreckte sich ein großer Garten, in dem Gemüse angebaut werden konnte. Und genau diese Flächen sind es, die nun die Begehrlichkeiten von Investoren wecken. Sie gehen nämlich bis zur Fuhlsbüttler Straße und machen das Areal zu einem großzügigen Eckgrundstück.
Die Häuser sind im Besitz der Stadt. Und die verhandelt gerade mit einem unbekannten Unternehmen, das dort bauen will. In einer Antwort auf eine Anfrage der „Piraten“in der Bezirksversammlung Nord
„Letzte Zeugnisse der dörflichen Vergangenheit Barmbeks“Kristina Sassenscheidt
heißt es vonseiten des Bezirksamts: „Derzeit wird untersucht, ob das Gelände zur Unterbringung eines wichtigen Wirtschaftsförderungsfalls im Rahmen einer Direktvergabe zur Verfügung gestellt werden kann.“Im Klartext: Bekommt diese Firma das Areal, darf sie ziemlich sicher abreißen.
Kristina Sassenscheidt, Vorsitzende des Denkmalvereins, sagt dazu: „ Ein möglicher Abriss wäre ein großer Verlust! Die Stadt hat doch eine Vorbildwirkung. Es ist kein übergeordnetes öffentliches Interesse zu erkennen, das hier einen Abriss rechtfertigen würde.“
Für Sassenscheidt sind die gefährdeten Gebäude die „letzten Zeugnisse von Barmbeks dörflicher Vergangenheit“. Sie besitzen eine hohe stadt-, sozial- und baugeschichtliche Bedeutung. Der Stadt scheint das egal zu sein. In Zeiten eines gigantischen Baubooms zählt für Olaf Scholz und seinen Senat offenbar nur eines: eine saftige Rendite beim Verkauf von begehrten städtischen Grundstücken.