Metal-Matsch und Familien-Idyll
Gepflegt chillen beim „A Summer’s Tale“, dreckig abrocken beim „Wac Air“
Was für eine FestivalWoche liegt hinter dem Norden! Während beim Wacken Open Air 75 000 Hartgesotteordentlich ne zu Heavy Meabrockten, tal entspannten sich in Luhmühlen bei Lüneburg Familien mit Kindern beim „A Summer's Tale“. Zwei Events, wie sie unterschiedlicher nichts sein könnten. Während die Metalheads bereits am Morgen beim „Metal-Yoga“versuchen, bei aus den Boxen hämmernder Musik zu meditieren, startet man in Luhmühlen ganz gemächlich in den anstehenden FestivalTag. Es gibt Frühstück mit Ei und Brötchen, Kinder spielen miteinander, Familien sitzen auf Picknickdecken im Gras und Bücherfreunde liegen lesend unter Bäumen. Neben dem Rascheln des Windes im Laub, sind die ab und zu einsetzenden Dieselaggregate der Foodstände das lauteste, was zu hören ist.
Bei den Metalfreunden 100 Kilometer weiter nordwestlich geht es schon nach dem Yoga auf den acht Bühnen hoch her. Zur Lieblingsmusik von Bands wie Memoriam wird danach im tiefen Schlamm getanzt und gefeiert, abends geht’s mit Krachern wie Megadeth, Accept und Co. weiter. Bier fließt in Strömen, der Dreck wird ignoriert.
Inzwischen wird auch beim „Summer's Tale“mit den ersten hopfenhaltigen Kaltgetränken angestoßen. Hier gibt es aber vor der Musik erstmal ein reichhaltiges Kulturprogramm. Hoch im Kurs stehen Lesungen: Als Heinz Strunk am Freitagnachmittag im „Zeltraum“liest, platzt selbiger aus allen Nähten.
Die Zeit zwischen den Konzerten verbringt man in Wacken gern am MerchandiseStand. Kaffeebecher oder Badeenten – es gibt kaum etwas, das nicht mit dem Wacken-Logo versehen und an den Fan gebracht wird.
Konsum geht aber auch in der Heide – zum Beispiel beim Designmarkt. Auffallend
hoch im Kurs stehen die aktuell so beliebte Entschleunigung und eine gesunde Portion Erholung. In Luhmühlen wirkt es fast so, als würde Stress nicht im Wortschatz der Besucher vorhanden sein. Kein Gerenne, kein Gedränge und kein Gebrüll. Niemand verkleidet sich oder benimmt sich daneben.
Ob Weinprobe, Yoga und Plattdeutsch-Kurs, unterschiedlicher könnte die Unterhaltung kaum sein. Und, weil auch der Nachwuchs herzlich willkommen ist, gibt es auch viele Angebote für die Kleinen. Sogar Bands mit kindgerechtem Inhalten traten auf.Wenn man es nicht besser wüsste, das A Summer's Tale könnte ein riesiges Sommerfest unter 12000 Freunden sein.
Beim größten Metal-Fest steht die Erholung ganz hinten an. Viele der Besucher dürften nach dem fünftägigen Feiermarathon eine ebenso lange Erholungsphase brauchen, um wieder voll auf der Höhe zu sein und den Matsch aus dem Klamotten zu bekommen.
Da haben es die Familien auf dem „Summer's Tale“besser: Viele Wege sind befestigt, Gummistiefel trägt hier keiner. Stattdessen flaniert man bequem in Sneakers über das liebevoll gestaltete Gelände. Und während die Metalheads im Schlamm stehend eine Currywurst verdrücken, sitzt man in Luhmühlen ganz romantisch in einem kleinen Birkenhain und genießt Craft-Beer und Kässpätzle. Anschließend gibt es auf der Bühne erlesene Klänge von
Franz Ferdinand, PJ Harvey oder den Pixies.
Doch so groß die Gegensätze zwischen den sich im Schlamm suhlenden Metallern einerseits und den Mädchen mit Blumenkränzen im Haar auch sein mögen – am Ende verbindet beide Lager eines: Die Liebe zur Musik.
➤ A Summer’s Tale: heute, ab 15 Uhr, mit Judith Holofernes, Element Of Crime, Stereo MC’s u. a., Tagesticket 76 Euro (o. Camping), www.asummerstale.de ➤ Wacken Open Air: ausverkauft!