Diese Pracht ging im Krieg verloren
Schönheit mit viel Marmor: Drei Jahre lang war die Kirche das höchste Gebäude der Welt
Uralte Fotos der Nikolaikirche aus der Zeit vor dem Krieg – es ist ein Schatz, der seit Jahrzehnten im Staatsarchiv gehütet wird. Wer die Bilder sieht, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Die Kirche, die wir nur als Ruine kennen, gehörte mal zu den schönsten Kirchen der Welt.
Die Geschichte der Nikolaikirche – genauer gesagt ihres Vorgängerbaus – beginnt 1195. Beim großen Stadtbrand 1842 fällt das Gotteshaus den Flammen zum Opfer. Zwei Jahre später wird ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. Der berühmte Baumeister Gottfried Semper ist zwar Sieger, aber die Preisrichter haben die Rechnung ohne die Bevölkerung gemacht. Seit nach 300-jähriger Unterbrechung der Bau des Kölner Doms wiederaufgenommen wurde, ist ganz Deutschland von einer ungeheuren Mittelalter-Begeisterung erfasst. National gesinnte Bürger bestehen darauf, dass auch Hamburg eine gotische Kathedrale bekommt.
So erhält der Entwurf des englischen Architekten George Gilbert Scott den Zuschlag. 4,6 Millionen Mark kostet der Bau: 1846 findet die Grundsteinlegung, 1859 das Richtfest statt. 1863 kann das Kirchenschiff und 1874 schließlich auch der Turm geweiht werden. Von da an ist die Nikolaikirche für drei Jahre das höchste Bauwerk der Welt – bis zur Vollendung der Kathedrale von Rouen 1877.
Die Nikolaikirche gilt als bedeutendster Sakralbau der Neugotik. Im Zweiten Weltkrieg nutzen britische Bomberpiloten sie als Orientierungspunkt bei ihren Angriffen auf die Stadt. Wie durch ein Wunder bleibt die Kirche zunächst stehen. Doch am 28. Juli 1943 ist das Glück aufgebraucht. Sie wird von Bomben getroffen. Die Decke stürzt ein, der Innenraum wird verwüstet. Die Wände bekommen Risse, fallen aber nicht in sich zusammen. Deshalb wird nach dem Krieg der Wiederaufbau erwogen. Doch die Stadtväter entscheiden sich dagegen.
1951 holen Bauarbeiter nach, was die Bomben nicht geschafft haben: Das Kirchenschiff wird abgetragen. Lediglich Turm und Chor bleiben erhalten.