Hamburger Morgenpost

So atemberaub­end kann Tanz sein!

Modern Dance zwischen Latino-Rhythmen, HipHop und traditione­llen afrikanisc­hen Elementen: Standing Ovations für Alvin Aileys Ensemble

- Von WIEBKE TOMESCHEIT

Rosa Tutus, spindeldür­re Gliedmaßen, strenge Haarknoten – und weiße Haut. So sah jahrzehnte­lang die klassische Ballerina aus. Wer diesem Muster nicht entsprach, hatte im profession­ellen Tanz kaum eine Chance. Bis 1958 Alvin Ailey seine Kompanie gründete und die Szene revolution­ierte. Er machte den Modern Dance in den USA populär und engagierte vor allem schwarze Tänzer. Nach fünf Jahren kehrten Aileys Tänzer nun zurück nach Hamburg.

In der Staatsoper brachten sie vier Choreograf­ien auf die Bühne: „Open Door“, „Piazzolla Caldera“, „Takademe“und das von Ailey selbst kreierte „Revelation­s“. Die Themen von Aileys Choreograf­ien drehten sich häufig um das Leben der afroamerik­anischen Bevölkerun­g im amerikanis­chen Süden, wo Alvin auch selbst aufwuchs. So wurden die Tänzer zu künstleris­chen Botschafte­rn der USA. Nach dem Choreograf­en, der 1989 starb, wurde eine New Yorker Straße benannt.

Was das Premierenp­ublikum zuerst irritierte: Sowohl nach dem ersten als auch nach dem zweiten Stück war eine 20-minütige Pause eingeplant. Etwas lästig – aber wer die Tänzer über die Bühne wirbeln sah, verstand sofort, dass da ein paar Minuten zum Verschnauf­en absolut angebracht waren.

Bereits „Open Door“zeigte, welche Kraft und Grazie die Alvin Ailey Kompanie in sich vereint: Lateinamer­ikanische Rhythmen, HipHop, traditione­lle afrikanisc­he Elemente und klassische­r Tanz scheinen durch die geschmeidi­gen Bewegungen hindurch.

In „Piazzolla Caldera“fühlt man sich wie im New Orleans der 40er Jahre: Paare tanzen Tango, Männer buhlen um schöne Frauen, zwei Trunkenbol­de kabbeln sich auf ebenso amüsante wie akrobatisc­he Weise. Das Stück strahlt Lebensfreu­de und Leidenscha­ft aus.

Nach der zweiten Pause gibt es dann ein atemberaub­endes Solo: In „Takademe“windet sich ein grandioser Tänzer zu mitreißend­em afrikanisc­hen Ge-

Das Publikum fordert hartnäckig Zugabe.

sang. Eine absolut umwerfende Darbietung, die das Publikum mit begeistert­em Jubel quittiert.

Und dann kommt es, das Herzstück aller Ailey-Choreograf­ien: „Revelation­s“. Zu eindringli­chem GospelGesa­ng tanzen die Künstler in verschiede­nen Episoden Szenen aus dem Alltag in den Südstaaten. Wedeln sich mit Fächern in der brennenden Hitze Luft zu, feiern eine christlich­e Taufe, arbeiten auf dem Feld.

Nach der letzten Szene gibt es Standing Ovations, das Publikum fordert hartnäckig eine Zugabe. Die bekommt es. Was für eine Show! So lebendig kann Tanz sein.

Staatsoper: Bis 20.8., versch. Uhrzeiten, Große Theaterstr. 25, Karten von 23 bis 101 Euro, Tel. 35 68 68

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Das Alvin Ailey American Dance Theater wurde für seine furiose Darbietung in der Staatsoper begeistert abgefeiert.
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Perfekte Körperbehe­rrschung: Alvin Aileys Tanzkompan­ie

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