Sein Leben nach der Talkshow
Mit Reinhold Beckmann in Wilhelmsburg Der TV-Star könnte Luxus-Rentner spielen – lieber sorgt er sich aber um Flüchtlinge und Hamburger Kids
Früher war Reinhold Beckmann (61) mit seiner Talkshow, die so hieß wie er, und als Moderator der „Sportschau“quasi omnipräsent. Inzwischen ist es ruhiger um den TV-Mann geworden. Er wirbelt lieber hinter den Kulissen, dreht gesellschaftskritische Dokumentationen und engagiert sich sozial. Derzeit organisiert er für seinen Verein „NestWerk“die „Nacht der Legenden“(siehe Kasten). Die MOPO düste mit dem Winterhuder nach Wilhelmsburg in eins der Sport-Projekte, die von den Spenden der Charity-Gala profitieren.
MOPO: Gibt es bei den Jugendlichen Selfie-Alarm, wenn Sie ein NestwerkProjekt besuchen? Reinhold Beckmann: Nein, die Kids interessiert es null, was ich beruflich mache – warum auch? Ich bin für sie derjenige, der als „NestWerk“-Vorsitzender Strukturen schafft und ihnen manchmal begegnet. Sie haben vor 15 Jahren „NestWerk“gegründet. Wie kam es dazu? In Jenfeld wurden damals 4000 Menschen angesiedelt, die gerade nach Deutschland gekommen waren. Da hatte ich mit Freunden die Idee, in einer Schule etwas anzubieten, was ihre Integration erleichtert. Ich erinnere mich an den
ersten Abend: Wir hatten die Turnhalle geöffnet, jeder konnte seine Musik mitbringen, Basketball und Fußball spielen. Zwischendurch kam eine Jugendgang, die alles aufmischen wollte, dann aber wieder abdampfte. Aus der Spontan-Idee wurde eine richtige Herausforderung? Der Einstieg war nicht einfach, aber die Idee war am Ende erfolgreich. Jetzt haben wir in vielen sozialen Brennpunkten Projekte, mit denen wir eine Möglichkeit der Freizeitgestaltung, der Fortbildung und einen Kontakt-Punkt bieten. Glauben Sie, dass Teenies aus Problemvierteln es schwer haben, den Traumjob zu finden? Klar! Wer als Kind weniger geistige und körperliche Förderung erhält, hat es oft im Leben schwerer. Ich will damit nicht sagen, dass Kinder aus sozial schwachen Familien von Eltern und Schule generell nicht gefördert werden. Aber je breiter das Angebot, desto größer die Weitsicht. Gerade in Wilhelmsburg erleben wir, dass es Jugendliche gibt, die außer ihrem Stadtteil quasi nichts von Hamburg kennen – die Alster ist ihnen fremd.
Ihnen persönlich geht es ja ganz gut. Bewegt es Sie, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht?
Selbstverständlich! Das Thema geht uns alle an. Wer einmal unten im sozialen Notstand sitzt, kommt da nicht so einfach wieder raus. Das besorgt mich sehr. Zum Glück gibt es viele Hanseaten, die bereit sind, was abzugeben. Wir müssen uns auf Unterstützer und Sponsoren verlassen können, schließlich haben wir inzwischen viele Initiativen: Musikbusse, Ferienangebote, Fußballturniere für Toleranz, die allein 40 Mal im Jahr organisiert werden. Das kostet!
Lernen Sie durch „NestWerk“selbst Stadtteile kennen, die Ihnen sonst eher fremd wären?
Unbedingt. Und ich mache sehr positive Erfahrungen. Wilhelmsburg ist, was unsere Projekte betrifft, einer meiner Lieblingsstadtteile. Und es gibt wahnsinnig schöne Ecken dort. Hinter Kirchdorf-Süd ist man sofort draußen auf der Weide, da sieht man schon Kühe. Ein Idyll!
Könnten Sie sich vorstellen, in Wilhelmsburg zu wohnen?
Ich gestehe, ich habe vor Kurzem geguckt und bin mal ein Wochenende durch Wilhelmsburg gegangen. Da habe ich darüber nachgedacht, wie es wäre, dorthin zu ziehen. Warum nicht?
Haben Sie mit dem Gedanken gespielt, einen Flüchtling aufzunehmen?
Ich habe großen Respekt vor allen, die sich so engagieren. Aber ich finde, das ist eine isolierte Situation. Ich finde Wohngemeinschaften und Gruppenmodelle sinnvoller. Die jungen Menschen entwickeln sich besser, wenn sie gemeinsam Erfahrungen machen. Sonst kommen sie alleine in eine fremde Welt, in ein fremdes Zuhause, wo sie sich eher als Gast fühlen. Das macht Integration insgesamt schwieriger.
Statt sich sozial so reinzuhängen, könnten Sie gemütlich Golf spielen ...
Es ist zwar zeitintensiv, aber es tut mir gut. Ich habe schon vor meiner Zeit als Fernsehjournalist viel Jugendarbeit gemacht. Ärmel hochkrempeln, anpacken, was bewegen liegt mir mehr, als mich nur hinzustellen und in die Sonne zu gucken. Jeder kann auf seine Weise was verändern, sei es durch persönliche Arbeit oder durch gezielte Spenden. Nur so funktioniert unsere Gesellschaft.