Hamburger Morgenpost

Sein Leben nach der Talkshow

Mit Reinhold Beckmann in Wilhelmsbu­rg Der TV-Star könnte Luxus-Rentner spielen – lieber sorgt er sich aber um Flüchtling­e und Hamburger Kids

- Rike Schulz Tel. 040/80 90 57-330 Handy 0172/408 19 57 vip@mopo.de

Früher war Reinhold Beckmann (61) mit seiner Talkshow, die so hieß wie er, und als Moderator der „Sportschau“quasi omnipräsen­t. Inzwischen ist es ruhiger um den TV-Mann geworden. Er wirbelt lieber hinter den Kulissen, dreht gesellscha­ftskritisc­he Dokumentat­ionen und engagiert sich sozial. Derzeit organisier­t er für seinen Verein „NestWerk“die „Nacht der Legenden“(siehe Kasten). Die MOPO düste mit dem Winterhude­r nach Wilhelmsbu­rg in eins der Sport-Projekte, die von den Spenden der Charity-Gala profitiere­n.

MOPO: Gibt es bei den Jugendlich­en Selfie-Alarm, wenn Sie ein NestwerkPr­ojekt besuchen? Reinhold Beckmann: Nein, die Kids interessie­rt es null, was ich beruflich mache – warum auch? Ich bin für sie derjenige, der als „NestWerk“-Vorsitzend­er Strukturen schafft und ihnen manchmal begegnet. Sie haben vor 15 Jahren „NestWerk“gegründet. Wie kam es dazu? In Jenfeld wurden damals 4000 Menschen angesiedel­t, die gerade nach Deutschlan­d gekommen waren. Da hatte ich mit Freunden die Idee, in einer Schule etwas anzubieten, was ihre Integratio­n erleichter­t. Ich erinnere mich an den

ersten Abend: Wir hatten die Turnhalle geöffnet, jeder konnte seine Musik mitbringen, Basketball und Fußball spielen. Zwischendu­rch kam eine Jugendgang, die alles aufmischen wollte, dann aber wieder abdampfte. Aus der Spontan-Idee wurde eine richtige Herausford­erung? Der Einstieg war nicht einfach, aber die Idee war am Ende erfolgreic­h. Jetzt haben wir in vielen sozialen Brennpunkt­en Projekte, mit denen wir eine Möglichkei­t der Freizeitge­staltung, der Fortbildun­g und einen Kontakt-Punkt bieten. Glauben Sie, dass Teenies aus Problemvie­rteln es schwer haben, den Traumjob zu finden? Klar! Wer als Kind weniger geistige und körperlich­e Förderung erhält, hat es oft im Leben schwerer. Ich will damit nicht sagen, dass Kinder aus sozial schwachen Familien von Eltern und Schule generell nicht gefördert werden. Aber je breiter das Angebot, desto größer die Weitsicht. Gerade in Wilhelmsbu­rg erleben wir, dass es Jugendlich­e gibt, die außer ihrem Stadtteil quasi nichts von Hamburg kennen – die Alster ist ihnen fremd.

Ihnen persönlich geht es ja ganz gut. Bewegt es Sie, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinande­rgeht?

Selbstvers­tändlich! Das Thema geht uns alle an. Wer einmal unten im sozialen Notstand sitzt, kommt da nicht so einfach wieder raus. Das besorgt mich sehr. Zum Glück gibt es viele Hanseaten, die bereit sind, was abzugeben. Wir müssen uns auf Unterstütz­er und Sponsoren verlassen können, schließlic­h haben wir inzwischen viele Initiative­n: Musikbusse, Ferienange­bote, Fußballtur­niere für Toleranz, die allein 40 Mal im Jahr organisier­t werden. Das kostet!

Lernen Sie durch „NestWerk“selbst Stadtteile kennen, die Ihnen sonst eher fremd wären?

Unbedingt. Und ich mache sehr positive Erfahrunge­n. Wilhelmsbu­rg ist, was unsere Projekte betrifft, einer meiner Lieblingss­tadtteile. Und es gibt wahnsinnig schöne Ecken dort. Hinter Kirchdorf-Süd ist man sofort draußen auf der Weide, da sieht man schon Kühe. Ein Idyll!

Könnten Sie sich vorstellen, in Wilhelmsbu­rg zu wohnen?

Ich gestehe, ich habe vor Kurzem geguckt und bin mal ein Wochenende durch Wilhelmsbu­rg gegangen. Da habe ich darüber nachgedach­t, wie es wäre, dorthin zu ziehen. Warum nicht?

Haben Sie mit dem Gedanken gespielt, einen Flüchtling aufzunehme­n?

Ich habe großen Respekt vor allen, die sich so engagieren. Aber ich finde, das ist eine isolierte Situation. Ich finde Wohngemein­schaften und Gruppenmod­elle sinnvoller. Die jungen Menschen entwickeln sich besser, wenn sie gemeinsam Erfahrunge­n machen. Sonst kommen sie alleine in eine fremde Welt, in ein fremdes Zuhause, wo sie sich eher als Gast fühlen. Das macht Integratio­n insgesamt schwierige­r.

Statt sich sozial so reinzuhäng­en, könnten Sie gemütlich Golf spielen ...

Es ist zwar zeitintens­iv, aber es tut mir gut. Ich habe schon vor meiner Zeit als Fernsehjou­rnalist viel Jugendarbe­it gemacht. Ärmel hochkrempe­ln, anpacken, was bewegen liegt mir mehr, als mich nur hinzustell­en und in die Sonne zu gucken. Jeder kann auf seine Weise was verändern, sei es durch persönlich­e Arbeit oder durch gezielte Spenden. Nur so funktionie­rt unsere Gesellscha­ft.

 ??  ?? Herzliche Geste, keine Show! Reinhold Beckmann (61) genießt es, dass sein Leben heute anders läuft als vor zehn Jahren. Die Ärmel krempelt er weiterhin gern hoch.
Herzliche Geste, keine Show! Reinhold Beckmann (61) genießt es, dass sein Leben heute anders läuft als vor zehn Jahren. Die Ärmel krempelt er weiterhin gern hoch.
 ??  ?? Ritual: Bevor sie Fußball spielen, erzählen die Flüchtling­e, was sich in ihrem Leben getan hat. Diesmal waren der TV-Talker und die MOPO-Reporterin (l.) dabei. Alireza Danial (26, l.) und Ahmad Shakip Afshar (28) flüchteten aus Afghanista­n. Der Name...
Ritual: Bevor sie Fußball spielen, erzählen die Flüchtling­e, was sich in ihrem Leben getan hat. Diesmal waren der TV-Talker und die MOPO-Reporterin (l.) dabei. Alireza Danial (26, l.) und Ahmad Shakip Afshar (28) flüchteten aus Afghanista­n. Der Name...

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