Hamburger Morgenpost

Das Lieblingsp­ortal der Autonomen

Innenminis­ter lässt Plattform abschalten. Hamburger Polizei-Experte kritisiert das Vorgehen scharf

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Von SANDRA SCHÄFER

Die Forderunge­n, mehr gegen Linksextre­me zu tun, überschlug­en sich nach den Ausschreit­ungen beim G20Gipfel in Hamburg. Jetzt wird das zentrale Vernetzung­s-Portal von linksauton­omen Gruppen in Deutschlan­d verboten: „linksun ten.indymedia.org“. Die Internet-Plattform ist seit gestern vom Netz. Bei den Betreibern in Freiburg gab es Hausdurchs­uchungen.

Gewaltbere­ite Autonome nutzen die reichweite­nstarke Seite, um zu Gewalt gegen Personen aufzurufen. Sie verbreiten Bekennersc­hreiben von Brandansch­lägen auf Politikera­utos, Farbbeutel-Attacken und geben Anleitunge­n für den Bau von Molotow-Cocktails. Über das Portal wurden auch Linksradik­ale aus ganz Europa zum G20-Gipfel in Hamburg mobilisier­t.

Trotzdem kam das Verbot für linksunten.indymedia am Freitag überrasche­nd. Es dürfte im Zusammenha­ng mit der anstehende­n Bundestags­wahl stehen. Die Plattform existiert bereits seit 2009 und wird vom Verfassung­sschutz überwacht. Ab mittags war „linksunten“gestern plötzlich offline. Für diesen Schritt brauchten die Behörden offenbar Schützenhi­lfe aus Paris – die Server, über die die Plattform läuft, stehen in Frankreich.

Das Verbot richtet sich ausdrückli­ch nicht gegen das weltweite Netzwerk Indymedia, sondern gegen die Unterplatt­form „linksunten.indy media.org“.

Als maßgeblich­e Köpfe hinter der Seite hat der Verfassung­sschutz drei Freiburger im Visier. In fünf Objekten gab es Durchsuchu­ngen. Dabei fand die Polizei Messer, Reizgas und Schlagstöc­ke. Die Betreiber der Seite stellen mit „linksunten“eine Pinnwand im Netz zur Verfügung, auf der Linke völlig anonym ihre Beiträge und Aufrufe über Besetzunge­n, Anschläge und Fünf Gebäude wurden durchsucht. Dabei fand die Polizei Schlagstöc­ke, Messer, Zwillen, Farbdosen und Böller.

Debatten veröffentl­ichen. Von den Betreibern wird dabei eine Art Moderation vorgenomme­n. Sie nehmen auch Beiträge von der Seite oder streichen Passagen.

Der Bund deutscher Kriminalbe­amter (BDK) reagiert mit Kritik. „Das Abschalten der Seite ist ein untauglich­er Versuch“, sagt Hamburgs BDK-Chef Jan Reinecke. Die Seite werde sicher nächste Woche über einen anderen Server wieder auftauchen. Und wenn die Plattform wirklich eine so zentrale Rolle bei der Mobilisier­ung von Linksextre­men spiele, „dann hätte das Innenminis­terium Polizisten durchsuche­n das autonome Zentrum KTS in Freiburg und tragen Beweismate­rial zu einem Polizeiaut­o.

sie doch besser vor dem G20-Gipfel abgeschalt­et und nicht vier Wochen danach“.

Reinecke: „Ich hoffe, der Bund stellt Hamburg jetzt viele 100000 Euro für verdeckte Ermittler bereit. Denn nur so können wir weiter an die Informatio­nen über Linksextre­me kommen, die wir sonst kostenlos per Indymedia hatten.“

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Kurz bevor die Plattform abgeschalt­et wurde, postete gestern noch ein Nutzer namens „Fuck“das Verbot auf linksunten.indymedia.org.
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