Diesmal ein mildes Urteil
Bewährung für Flaschenwerfer
Wie aus einem verliebten Franzosen ein krimineller Flaschenwerfer wurde: Der dritte G20-Prozess drehte sich um eine skurrile Liebesgeschichte und endete mit einer Bewährungsstrafe.
Ein weißes T-Shirt mit silberner Aufschrift „I want to find Naomi“, ein Plüsch-Pokémon unterm Arm und eine pinke Umhängetasche, so stand Simon D. am 6. Juli am Rand der „Welcome to Hell“Demo am Fischmarkt. Nicht, weil er protestieren wollte, beteuert der junge Mann, sondern aus Liebe: Drei Tage vorher habe er sich auf einem Festival in Portugal in eine junge Frau namens Naomi verliebt, lässt er die Dolmetscherin im Amtsgericht Altona übersetzen.
Ehe sie sich im Getümmel verloren hätten, habe sie ihm erzählt, dass sie den G20Protest besuchen wolle. Total verknallt reiste der gelernte Hotelrezeptionist nach Hamburg, in der Hoffnung, seineAngebetet wiederzufinden. Richter Reinhard Kloß verblüfft: „Wie zum Teufel haben Sie sich denn vorgestellt, in der Menge eine einzelne Frau zu finden?“Simon D. sagt nur treuherzig „L’amour“und zuckt mit den Achseln.
Tatsächlich fand er Naomi nicht, habe aber beobachtet, wie Polizeibeamte seiner Meinung nach grundlos Demonstranten mit Pfefferspray attackiert hätten. Aus Wut darüber sei er auf eine Anhöhe abseits der Demo gestiegen und habe von oben mit Flaschen auf Beamte geworfen. Drei Polizisten soll er getroffen haben, sie wurden aber nicht identifiziert.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchte gefährliche Körperverletzung, tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Widerstand bei der späteren Verhaftung vor.
Simon D. zeigt sich reumütig: „Ich bin mir überaus bewusst, wie dumm meine Handlungen waren“, lässt er durch seinen Anwalt erklären. „Ich weiß, dass Polizisten menschliche Wesen wie Sie und ich sind.“
Richter und Staatsanwältin sprechen Simon D. eine „gewisse Naivität“zu. „Sie sind wie ein bunter Vogel durch den Schwarzen Block marschiert“, sagt Richter Kloß. Urteil: ein Jahr und fünf Monate auf Bewährung. Außerdem muss Simon D. eine Geldstrafe von 600 Euro zahlen und zusätzlich 500 Euro für die Witwen- und Waisenkasse der Polizei.
Simon D., der sieben Wochen in U-Haft saß, bedankte sich nach dem Urteil höflich. Richter Kloß: „Vielleicht hat es ja wenigstens ein Gutes und Naomi findet Sie jetzt.“
Nach einem umstritten harten Urteil im ersten G20Prozess (zwei Jahre und sieben Monate Haft für einen unvorbestraften Flaschenwerfer), wurden in den folgenden Verfahren jeweils Bewährungsstrafen verhängt. Am kommenden Donnerstag findet der nächste G20-Prozess statt, angeklagt ist ein Schweizer.