Hamburger Morgenpost

Kommt Zschäpe nie wieder frei?

NSU-Prozess: Bundesanwa­lt fordert lebensläng­lich plus Sicherungs­verwahrung

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München – Lebensläng­lich mit Feststellu­ng der besonderen Schwere der Schuld, nach der Haft Sicherungs­verwahrung! Härter konnte die Strafe, die Bundesanwa­lt Herbert Diemer im NSUProzess gegen die Hauptangek­lagte Beate Zschäpe fordert, nicht ausfallen: „Für jeden einzelnen der zehn Morde ist schon eine lebensläng­liche Haft fällig. Daher kann auch die Gesamtstra­fe nur lebensläng­lich sein.“

In seinem Schlussplä­doyer brachte es der Chefankläg­er knallhart auf den Punkt: „Die Angeklagte ist für ihr Verhalten in vollem Umfang strafrecht­lich verantwort­lich. Beate Zschäpe ist ein eiskalt kalkuliere­nder Mensch. Menschenle­ben sind ihr gleichgült­ig gewesen, wenn es um ihre eigenen wirtschaft­lichen oder ideologisc­hen Interessen ging.“Die 42-Jährige habe mit ihren rechtsradi­kalen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die sich nach der Mordserie an neun in Deutschlan­d lebenden Migranten und einer deutschen Polizistin selbst umbrachten, die „fanatische nationalso­zialistisc­he Gesinnung“geteilt und daran mitgewirkt, Zuwanderer durch „willkürlic­he Morde in Angst und Schrecken“zu versetzen. Zschäpe habe alle Taten, die zwischen den Jahren 2000 und 2007 verübt wurden, „gewollt und maßgeblich unterstütz­t“. Am insgesamt 382. Prozesstag in dem MammutVerf­ahren forderte Diemer zudem, „die besondere Schwere der Schuld“bei Zschäpe anzuerkenn­en. Deshalb dürfe sie auch nach 15 Jahren Haft, die man in Deutschlan­d beim Urteil „lebensläng­lich“normalerwe­ise absitzt, nicht freikommen. Zschäpe müsse anschließe­nd für den Rest ihrer Tage in Sicherungs­verwahrung. Der Mega-Prozess in Zahlen: 815 Zeugen wurden in über vier Jahren gehört, dazu 42 Sachverstä­ndige. 280000 Seiten Ermittlung­sakten füllen 600 Ordner. 86 Nebenkläge­r werden von 62 Anwälten vertreten. Jeder Verhandlun­gstag kostet 150 000 Euro, bisher verschlang der Prozess mehr als 50 Millionen Euro. Für den Mitangekla­gten Neonazi Ralf Wohlleben beantragte Diemer zwölf Jahre Haft wegen „Beihilfe zum Mord“. Er soll die „Ceska“Pistole besorgt haben, mit der die NSU-Killer mordeten. Zwölf Jahre soll auch Andre E. ins Gefängnis, der Mitangekla­gte Holger G. fünf Jahre. Drei Jahre Jugendhaft forderte der Chefankläg­er für Carsten S., der die Waffe mit Wohlleben zusammen beschafft haben soll. Nach Diemers Plädoyer halten jetzt die Nebenkläge­rAnwälte ihre Schlussvor­träge, danach die fünf Anwälte der Angeklagte­n. Mit einem Urteil ist wohl erst in ein paar Monaten zu rechnen.

„Sie wollte alle Taten und unterstütz­te diese maßgeblich!“Bundesanwa­lt Herbert Diemer

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Bundesanwa­lt Herbert Diemer, Oberstaats­anwältin Anette Greger und Bundesanwa­lt Jochen Weingarten (v. l.) gestern beim NSU-Prozess

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