Hamburger Morgenpost

Warum bringen sich so viele Häftlinge um, Herr Steffen?

In kürzester Zeit nahmen sich drei Insassen das Leben – Suizidrate in diesem Jahr besonders hoch

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Von MIKE SCHLINK

Die schlimmen Neuigkeite­n aus Hamburgs Gefängniss­en mehren sich: Innerhalb von drei Wochen nahmen sich drei Häftlinge das Leben. Wie konnte es dazu kommen, was läuft falsch in Hamburgs Haftanstal­ten? Die MOPO klärt die wichtigste­n Fragen.

Wer sind die Toten?

Chris Z (✝39), ein verurteilt­er Mörder, stand Anfang des Jahres vor Gericht, weil er seine Freundin verprügelt hatte. Während des Prozesses ging er mit einem Messer auf seine Freundin los. Er erhängte sich am Montag. Auch Abdullah K. (✝40) nahm sich so am 30. August das Leben. Dem Syrer wurde unter anderem vorgeworfe­n, Mitglied der Terror-Vereinigun­g „Jabhat al-Nusra“zu sein. Am 21. August erstickte sich zudem Christoph S. (✝49) mit einem Schal und einem Müllbeutel. Er wurde unter anderem wegen Körperverl­etzung inhaftiert.

Gibt es keine Überwachun­g?

Christoph S. saß seine Strafe in der JVA Fuhlsbütte­l ab, wurde dort ganz normal kontrollie­rt. „Das ist aber von Fall zu Fall anders“, sagt eine Sprecherin der Justizbehö­rde. Chris Z. wurde nach der Tat in U-Haft durchgehen­d psychologi­sch betreut, saß zeitweise sogar in der Beobachtun­gsstation, wo alle zehn Minuten ein Beamter nach ihm schaute. Zuletzt befand er sich wegen „fremdgefäh­rdender Tendenzen“ laut Behörde auf einer Sicherungs­station, trug dort Anstaltskl­eidung. Hinweise auf eine Suizid-Gefahr habe es nicht gegeben.

Werden mutmaßlich­e Islamisten gesondert beobachtet?

Der Messer-Mörder von Barmbek saß zeitweise in der Beobachtun­gsstation, Abdullah K. saß jedoch ganz normal in U-Haft. Laut Behörde darf man dort in der Regel seine normale Straßenkle­idung behalten – also auch Gürtel und Schnürsenk­el. „Das wird aber im Einzelfall geprüft“, so eine Sprecherin. Grund zur Sorge gab es aber offensicht­lich nicht, da der Syrer laut Behörde „stabil und orientiert“wirkte. „Auch wenn der Inhaftiert­e nicht auffällig war, erwarten wir bei einem mutmaßlich­en Islamisten allerhöchs­te Sicherheit­smaßnahmen“, kritisiert Anna von Treuenfels-Frowein (FDP).

Nimmt die Suizid-Anzahl zu?

„Es ist Zufall, dass sich in dieser kurzen Zeit mehrere Häftlinge das Leben genommen haben“, so eine Sprecherin. Das seien tragische Einzelschi­cksale, aber keine Häufungen. Im gesamten Jahr habe es bislang vier Suizide gegeben. In der Vergangenh­eit waren es weniger: 2016 gab’s nur einen Vorfall, 2015 zwei, 2014 sogar keinen.

„Die ungewöhnli­che Häufung von Selbsttötu­ngen ist alarmieren­d“, sagt Richard Seelmaecke­r (CDU). Justizsena­tor Till Steffen (Grüne) sei in der Pflicht, aufzukläre­n, ob die Überlastun­g der Mitarbeite­r und die hohe Belegung der Anstalten mitverantw­ortlich seien.

Wird die Suizidpräv­ention den Haftanstal­ten ausgebaut? in

„Die Häufung von Selbsttötu­ngen ist alarmieren­d.“Richard Seelmaecke­r, CDU

Die Haftzustän­de würden in einem laufenden Prozess optimiert, heißt es von der Behörde. Nach einer Häufung von Selbstmord­en (3 Fälle) wurde die Suizidpräv­ention bereits 2012 untersucht und nachgebess­ert. Unter anderem wurde die psychiatri­sche Betreuung erweitert. Eine angeregte Telefonsee­lsorge in der U-Haft wurde jedoch aus technische­n Gründen nicht umgesetzt.

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Justizsena­tor Till Steffen (Grüne) steht mal wieder in der Kritik.

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