Vom Beatles-Fan zur Mensch-Maschine
Interview Kraftwerk-Schlagzeuger Karl Bartos über das Innenleben der legendären Band
Er schrieb mit Kraftwerk 16 Jahre lang Popgeschichte, war Mitkomponist von Klassikern wie „Das Model“und „Computerliebe“. Nun hat Schlagzeuger Karl Bartos (65) seine Autobiografie geschrieben – und gewährt einen Einblick in das sonst so abgeschirmte Innenleben der Düsseldorfer Elektronik-Band.
MOPO: Herr Bartos, im Vorwort Ihrer Autobiografie erzählen Sie, dass ein Song der Beatles Sie zum Musikmachen bewegt hat. Das ist ja stilistisch eine ganz andere Richtung als die, mit der Kraftwerk berühmt wurden … Karl Bartos:
Man kann ja nicht in die Zukunft sehen, die Zeit bewegt sich immer nur nach vorn. (lacht) Für mich war Musik lange gar nicht sehr interessant, Klang war eher akustische Information. Mit der tollen Musik der Beatles wurde aus den Klängen dann aber Emotion.
Es ist ja fast blasphemisch, über das Innenleben von Kraftwerk zu sprechen, da die Band als kühl und unnahbar gilt.
Warum wollten Sie das trotzdem tun? Weil es seit Jahrzehnten in diesem Kontext immer die gleichen Begriffe gibt, das ist ja fast eine Regierungserklärung. Ich fand, es könnte nur nützlich sein, mal eine andere Perspektive auf die Arbeit der Band anzubieten.
Haben Sie vorab mit Ihren damaligen Kollegen über das Buchprojekt gesprochen? Meine Ex-Kollegen sind leider nicht sehr kommunikativ. Was soll ich machen? Ich möchte ja aber auch in keiner Weise diskreditieren, was wir in den 70er Jahren geschaffen haben. Ich wollte eher berichtigen: Unsere Musik entstand nicht am Computer, alles war handgemacht! Noch habe ich jedenfalls keine Post von ihnen bekommen …
Zur ersten Probe mit Kraftwerk fuhren Sie direkt nach einer Opernaufführung. Ja, ich habe damals alles gemacht, womit man als Schlagzeuger Geld verdienen konnte. Unterricht gegeben, in klassischen Orchestern getrommelt. Als ich zu Kraftwerk kam, lebten wir noch im Nachhall der 60er Jahre, unsere Musik entstand oft beinahe wie Jazz. Alle denken, Kraftwerk stünde vor allem für Synthesizer. Aber das stimmt nicht: Wir standen vielmehr für die Synthetisierung handgemachter Musik. Jeder trug etwas zu den Stücken bei, am Ende waren sie praktisch musikalische Unterhaltungen. Damals war es aufwendig und teuer, elektronische Musik zu machen. Beneiden Sie manchmal die heutigen Kollegen, die es dank neuer Geräte so viel einfacher haben? Ja, natürlich. Andererseits sind Computer auch kein Segen für kreative Arbeit. Ich habe 1986 einen der ersten IBM-Computer gekauft, für 12 000 Mark. Wir hatten uns davon mehr kreative Freiheit erhofft, aber eigentlich ist das Gegenteil eingetreten. Wenn man einmal ein Muster gefunden hat, das gut funktioniert, neigt man dazu, es zu wiederholen. Auch bei Kraftwerk hat der PC unseren Arbeitsprozess verändert. Es trugen nicht mehr alle etwas bei, sondern es klickte nur noch einer auf die Maus. Wir haben verlernt, miteinander zu kommunizieren – und zuzuhören. War das auch der Grund, warum Sie die Band 1991 verlassen haben?
Ja, man kann sagen, der Computer war der Anfang vom Ende. Das Interview führte WIEBKE TOMESCHEIT
„Der Klang der Maschine“: 640 Seiten, 26 Euro Lesung: 16.9., 19 Uhr, Uebel & Gefährlich, 16 Euro