Im All gucken wir WM, aber ohne Chips
2018 wird er als Kommandant der ISS in den Weltraum zurückkehren
Von NATHALIE RIAHI
Unendliche Weiten, absolute Stille... Wenn Astronaut Alexander Gerst (41) von seiner ersten Mission als Wissenschaftler auf der ISS-Station im Jahr 2014 und seinem neuen für 2018 geplanten Einsatz erzählt, können die Zuhörer nicht genug bekommen. Wie jetzt in Düsseldorf, wo er Star-Gast beim Talk des „Ständehaus Treffs“war.
Insgesamt 166 Tage war der in Köln lebende 2014 im All. Was hat er oben Irdisches vermisst? „Sich nach einem anstrengenden Tag mal in den Sessel fallen zu lassen. Oder sich im Bett umzudrehen. All das geht in der Schwerelosigkeit nicht.“Zurück auf der Erde vermisst er aber auch etwas: „Wenn man nachts mal auf die Toilette muss, kann man einfach hinschweben.“
Das kann er bald wieder: Derzeit bereitet sich Gerst auf seine nächste Mission vor: Ende April 2018 wird er für drei Monate als erster deutscher Kommandant an Bord der ISS sein
Alexander Gerst
und forschen. „In der Schwerelosigkeit hat man Laborbedingungen, die es auf der Erde nicht gibt.“
Aus solchen Versuchen gingen Medikamente wie zur OsteoporoseBehandlung oder Materialien wie Titanaluminid für leichtere Flugzeugtriebwerke hervor. Gerst und seine Kollegen trainieren derzeit knallhart. „Ich bin viel in Moskau, Houston und Tokio. Es gibt viel, was man sich aneignen muss: das Lebenserhaltungssystem der Station, das russische Steuerungssystem – alles auf Russisch. Oder wie man ein Raumschiff steuert, was gar nicht so einfach ist.“
Der Weg zur Station ist gefährlicher als das Leben dort. „Auf einer Rakete mit 300 Tonnen Treibstoff zu sitzen ist gefährlich, macht aber auch Spaß“, so Gerst. „Wir trainieren in ehemaligen Raumkapseln, die zu Simulatoren umgebaut wurden. Bei jedem Trainingsflug gehen 15 bis 20 Dinge kaputt. Und wenn du denkst: Jetzt habe ich es, bricht ein Feuer aus. Unsere Trainer versuchen, uns umzubringen, wir versuchen, zu überleben. Ich bin bisher nur einmal im Simulator gestorben.“All die Strapazen nimmt er gerne auf sich. „Ich gehe ein größeres Risiko für das ein, was mir wichtig ist: für die Wissenschaft.“
Als Kommandant habe er auch die Aufgabe, den Teamgeist zu erhalten. Gerst: „Wir sind gute Freunde. Die Russen laden in die Banja ein oder ich sie zu mir auf die Dachterrasse zum Grillen.“Im All werden sie wie 2014 einige Spiele der Fußball-WM anschauen. „Ohne Chips. Die Krümel fliegen umher, landen in unseren Augen.“Weltall-Tourismus findet er für die Zukunft gut. „Ich wünsche jedem, dass er diesen Blick auf die zerbrechliche Erde erhält.“
Ob Außerirdische existieren, kann er übrigens nicht beantworten. Aber für den Fall, dass es welche gibt, fragt sich Gerst: „Außerirdische würden aus dem All sehen, wie wir das Amazonasgebiet roden, uns bekriegen, die Meere überfischen und verpesten. Würden die uns als intelligentes Leben einstufen? Ich bin mir da nicht so sicher.“