Wie lange hält Air Berlin das durch?
Mehrere Millionen Euro Verlust. Was Verbraucherschützer Passagieren raten, welche Rechte Fluggäste haben
Berlin – Die Unruhe in der Belegschaft von Air Berlin ist groß, nach wie vor. Zwar hat sich die Lage am Mittwoch wieder etwas normalisiert. Nach den massenhaften Krankmeldungen von Piloten am Dienstag erschienen nur noch einzelne Mitarbeiter nicht zur Arbeit. Am Morgen und Vormittag aber gab es noch umfangreiche Störungen und Dutzende eingestellte Flüge. In Hamburg wurden sechs Ankünfte und sieben Abflüge gestrichen. Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings war betroffen – sie hatte Maschinen samt Crew bei Air Berlin gechartert. Mittags lief der Flugbetrieb wieder weitgehend normal, zumindest vorerst. Wie geht es weiter – für das Unternehmen, für die Beschäftigten und für die Passagiere? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie sollten sich Passagiere jetzt verhalten? Wer schon ein Ticket für einen Air-BerlinFlug hat, sollte vor allem eines tun: Daumen drücken. Von einer Stornierung raten Verbraucherschützer ab. In einer relativ komfortablen Situation sind Passagiere, die eine Pauschalreise gebucht haben oder deren Ticket von einem Kooperationspartner von Air Berlin ausgestellt wurde, etwa von Eurowings oder Alitalia. „Die jeweiligen Unternehmen sind dafür verantwortlich, die Passagiere gegebenenfalls auf anderen Wegen an ihr Ziel zu bringen“, so Eva Klaar von der Verbraucherzentrale Berlin. Wie beeinflussen die Krankmeldungen das Insolvenzverfahren?
Die Flugausfälle kosten kurz- und mittelfristig viel Geld, mehrere Millionen Euro sollen die unmittelbaren Kosten betragen. Hinzu kommt, dass die Buchungszahlen weiter zurückgehen werden, also bleiben in den nächsten Tagen und Wochen mehr Einnahmen aus, als ohnehin zu befürchten war. Die Geschäftsführung befürchtet, dass auch die Verhandlungen mit den Bietern Schaden nehmen. „Potenzielle Investoren werden durch die gestrige und heutige Performance verschreckt“, hieß es am Mittwoch in einem Brief an die Piloten. Im Hintergrund geht es um handfeste Interessen: Sollte Air Berlin gezwungen sein, den Betrieb einzustellen, dann könnten die Landerechte der Gesellschaft an die Flughafenbetreiber zurückfallen. Wie wahrscheinlich ist der Zusammenbruch von Air Berlin? Erst einmal ist dieses Risiko eher gering. Die Bundesregierung hat zu Beginn des Insolvenzverfahrens einen Kredit von 150 Millionen Euro gewährt, um einen geordneten Verkauf zu ermöglichen. Die erste Tranche von 40 Millionen Euro wurde in der vorigen Woche ausbezahlt. Weitere Tranchen folgen, wenn Air Berlin den Bedarf nachweist. Geplant war, dass das Geld bis Ende Oktober reicht. Diese Frist könnte sich verkürzen – allerdings will der Gläubigerausschuss ohnehin früher entscheiden.
Welche Perspektive haben die
Mitarbeiter? Jedenfalls haben sie wenig Grund zum Optimismus. Der Wettbewerb in der Luftfahrt ist knallhart, entsprechend gering ist die Neigung der Manager, den Übergang sozialverträglich zu gestalten – auch wenn die Gewerkschaften bereits mit den Bietern verhandeln. Auch bei der LufthansaTochter Eurowings, die als aussichtsreichster Bieter gilt, sind die Löhne deutlich niedriger als bei Air Berlin. Die Air-Berlin-Geschäftsführung: „Unser Ziel ist eine geordnete Überleitung möglichst vieler Arbeitsplätze.“
Gelingt das nicht, müssen sich die Mitarbeiter neu bewerben. „Für die Kollegen vom fliegenden Personal geht es wohl weiter“, sagt ein Mitarbeiter. Zu welchen Konditionen, sei aber unklar. Techniker und Bodenfachkräfte rechnen sich geringere Chancen aus.
Wann entscheidet sich die Zukunft von Air Berlin? Noch bis Freitag nimmt der Gläubigerausschuss Angebote an. Bis Donnerstag nächster Woche will er eine Entscheidung treffen. Allerdings gilt es als wahrscheinlich, dass sich dieser Zeitplan nicht einhalten lässt.
Wer sind die Bieter? Außer Lufthansa haben auch Condor und Easyjet Interesse signalisiert. Sie würden Air Berlin voraussichtlich nicht unter dem bekannten Namen fortführen. Das verspricht hingegen der Unternehmer Rudolf Wöhrl, der einst die Deutsche BA sanierte. Zunächst sollen die Gläubiger von ihm 50 Millionen Euro erhalten. Dieser Betrag würde wachsen, wenn die Sanierung erfolgreich verläuft. Allerdings zweifelt Wöhrl, er sprach von einem „abgekarteten Spiel“zugunsten der Lufthansa. Ein weiteres Angebot will der chinesischstämmige Unternehmer Jonathan Pang abgeben. Er betreibt seit Jahren mit mäßigem Erfolg den Flughafen Parchim und will die Basis von Air Berlin dorthin verlegen. Angeblich will auch British Airways mitbieten – trotz ihres Scheiterns mit der Deutschen BA.