Hamburger Morgenpost

„Die Panade ist nicht die natürliche Haut des Fisches“

Sarah Wiener verrät, wie aus kleinen Gemüse-Banausen gesunde Esser werden

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Schürze um und losgeschni­ppelt: In der Schule Beim Pachthof (Horn) durften kleine Köche jetzt mit einer ganz großen Köchin den Löffel schwingen – mit Sarah Wiener. „Ich kann kochen!“ist eine deutschlan­dweite Initiative für praktische Ernährungs­bildung. Im MOPO-Interview verrät die Star-Köchin, wie man den Kleinen gesundes Essen schmackhaf­t macht.

MOPO: Was gekocht? Sarah Wiener: Wozu das? wird Wie äußert sich hier heute

Kürbissupp­e. Dazu gibt es belegte Brote. Die Butter machen wir selbst, indem wir Sahne ins Glas tun und schütteln, bis sie zu Butter wird.

Es ist wichtig, Kindern zu erklären, wie Lebensmitt­el entstehen. Sie müssen einen Bezug zu Grundnahru­ngsmitteln bekomGerad­e men. in den Städviele ten gibt es Kinder, die noch nie auf einem Bauernhof waren und mit Industrien­ahrung aufSo wachsen. entsteht eine Generation, die mit einem Gefühl des Ausgeliefe­rtaufwächs­t. seins Die Menwissen schen nicht mehr, wie man sich selbst nährt.

diese Ahnungslos­igkeit?

Ich hatte bei einem Kochein kurs mal Kind, das dachte, die Panade vom Fisch wäre die natürliche Haut! Es ist traurig, dass viele Kinder jedes Fastfood-Logo auf hundert Meter Entfernung erkennen, aber Petersilie von Schnittlau­ch nicht unterschei­den können. Diese Kinder sind nicht mehr mit dem Boden unter ihren Füßen verbunden und wissen nicht, dass man frische Kräuter essen kann.

Warum ist dieser Bezug so wichtig?

Wir sind ein Teil der Natur. Alles, was uns guttut, tut auch der Natur gut. Viele Menschen denken noch immer, eine gesunde Ernährung sei genussfein­dlich. Das ist einfach falsch.

Wie kann man Kindern das beibringen?

Indem man sie beim Kochen einbindet. Schon kleine Kinder können dabei helfen, ein frisches Pesto aus Petersilie herzustell­en oder eine Marmelade selbst zu machen. Sie können schnippeln, verlesen oder Dinge in den Topf schütten. Kinder sind Macher. Sie wollen helfen. Wir sollten ihnen mehr Eigenveran­twortung und Kreativitä­t zutrauen.

Und dann essen Fenchelauf­lauf? sie auch einen

Ich habe noch nie erlebt, dass Kinder ihr selbst gekochtes Mahl nicht gegessen haben. Jeder Mensch ist stolz auf sein eigenes Werk. Wir müssen die Kindern zu Schöpfern machen.

Man hört immer wieder Eltern, die behaupten, ihr Kind esse partout kein Gemüse und kein Obst.

Das liegt oft an den Eltern selbst. Bis zum Alter von zwei bis drei Jahren essen Kinder alles. Wenn sie danach hören, dass die Mutter „igitt“zu Pilzen sagt, imitieren sie das.

Aber warum ist zum Beispiel Salat so oft ein Problem?

Das kann schlicht an der Größe der Blätter liegen. Oder an der Größe der Tomatenstü­cke. Wenn es beim Zubeißen spritzt, stört das manche Kinder. Einfach verschiede­ne Varianten ausprobier­en!

Darf man Alternativ­en anbieten? Dem Kind ein Brot schmieren, wenn es das Mittagesse­n verweigert?

Das sollte man genau nicht tun. In unseren Breitengra­den verhungert niemand. Wichtig ist es, konsequent zu sein und sich vom Kind nicht terrorisie­ren zu lassen. Dann isst das Kind eben nur die Beilagen. Den Kindern eine Extrawurst zu kochen, halte ich für den Anfang einer Essstörung.

Worauf sollte man also bei der Ernährung achten?

Wer sein Kind liebt, sollte darauf achten, dass es möglichst unbehandel­te natürliche Grundleben­smittel zu essen bekommt und nicht die stark verarbeite­te Kopie als Industriep­rodukt. Wer dabei auf regionale Produkte setzt, am besten aus ökologisch­em Anbau, damit sie keine Pestizide enthalten, tut nicht nur sich selbst, sondern gleichzeit­ig auch Umwelt etwas Gutes.

Wie viel Zucker ist okay?

der

Kann man schon bei der Babynahrun­g Fehler machen?

Das Geschmacks­gedächtnis von Kindern wird in den ersten 1000 Tagen ausgebilde­t. Wer da Gläschen verfüttert, also Industriew­are, die immer gleich schmeckt und sterilisie­rt ist, erweist seinem Kind keinen Liebesdien­st, sondern tut das Gegenteil. So wie man mit Musik und Büchern den Horizont erweitert, sollte man auch beim Essen handeln. Essen ist mehr als nur Nahrungsau­fnahme.

Nehmen Sie lieber Honig oder getrocknet­e Früchte. Manche Eltern denken, dass sie ihrem Kind etwas Gutes tun, wenn sie es mit einer Limo belohnen. Limos enthalten Chemiezusa­tzstoffe, Zucker, Aromen und Farbstoffe. Das einzig Gute und Natürliche darin ist das Wasser. Und das bekommen Sie fast umsonst aus dem Hahn! Profitiere­n tun nur die globalen Konzerne.

Was ist so schlimm an Zucker?

„Viele Kinder wissen gar nicht, dass man frische Kräuter auch essen kann.“ „Industriez­ucker manipulier­t den Stoffwechs­el und macht abhängig.“

Industriez­ucker wird vom Körper nur schwer verarbeite­t. Er manipulier­t den Stoffwechs­el, aber auch den Geist und die Darmflora. Und er macht abhängig. Das ist wie bei einer Sucht. Der Körper verlangt nach mehr. Der Industriez­ucker mit seinen diversen Varianten ist mitverantw­ortlich für die steigenden Zahlen bei chronisch entzündlic­hen Krankheite­n, bei Diabetes Typ 2, für viele Darmund Hautkrankh­eiten, Unverträgl­ichkeiten, Allergien und nicht zuletzt Übergewich­t.

Muss die Politik gegensteue­rn?

Mit ein Problem ist, dass nirgendwo so viele bezahlte Lobbyisten sitzen wie in den Landwirtsc­haftsaussc­hüssen. Sie haben die Lebensmitt­elampel verhindert, die für jeden Verbrauche­r hilfreich gewesen wäre. Absurd! Oberstes Ziel sollte doch das Wohl des Menschen sein und unsere Gemeinscha­ft.

Das Interview führte NINA GESSNER

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