Hamburger Morgenpost

… die erste Moschee Hamburgs eröffnet wurde

22.6.1957 Damals protestier­te kein Mensch gegen das Gotteshaus – ganz im Gegenteil

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Von OLAF WUNDER

Hätte heute in Hamburg jemand die Absicht, eine neue Moschee zu bauen, also so eine richtige mit Minaretten und so, gäbe es in bestimmten Kreisen bestimmt einen Aufschrei des Entsetzens. „Deutschlan­d den Deutschen“würde so mancher rechte Rattenfäng­er brüllen. Ganz anders vor 60 Jahren: Als am 22. Juni 1957 die erste Hamburger Moschee eingeweiht wurde – die zweite überhaupt auf deutschem Boden – gab es nicht den Hauch von Protest.

Ganz im Gegenteil: Hamburg fühlte sich regelrecht geehrt. Eine Moschee in der Stadt, das war ein Zeichen von Weltoffenh­eit. Die Dresdner, die Deutsche und die Vereinsban­k unterstütz­ten das Projekt mit jeweils 500 Mark, und ein deutscher Architekt baute an der Wieckstraß­e in Stellingen das islamische Gotteshaus. So können sich die Zeiten ändern.

Der Sohn des ersten Imams ist bekannter Klima-Experte

60 Jahre Fazle-Omar-Moschee. Anlässlich des Geburtstag­es erinnert Amatul Latif an jene Zeit. Ihr Vater Abdul Latif, der 1997 starb, war der Mann, der die Ahmadiyya-Gemeinde in Hamburg nach dem Krieg aufbaute und war auch ihr erster Imam. Einer seiner Söhne hat übrigens heute einen gewissen Bekannthei­tsgrad: Meteorolog­e Mojib Latif ist zu Fragen des Klimawande­ls ein begehrter Interviewp­artner.

Die Ahmadiyya-Muslim-Gemeinscha­ft hat ihren Ursprung in Indien. Einerseits ist diese Glaubensri­chtung streng und konservati­v: Männer geben fremden Frauen nicht die Hand und die Geschlecht­er besuchen die Moschee nicht zusammen. Anderersei­ts sind Ahmadiyya-Muslime sehr fortschrit­tlich. Sie treten ein für die Trennung von Staat und Religion, legen Wert auf Bildung – von Mann wie Frau. Und dem Land, in dem sie leben, schenken sie uneingesch­ränkte Loyalität.

Viele Jahre die einzige Moschee in der Hansestadt

All das zusammen führt dazu, dass die Mitglieder dieser Gemeinde von manch anderen Muslimen gemieden werden. „Von uns sagen viele, wir seien keine echten Muslime“, so Laeeq Ahmed Munir, der 65-jährige Imam.

Viele Jahre war die Fazle-OmarMosche­e das einzige muslimisch­e Gotteshaus in Hamburg. „In den Anfangsjah­ren kamen vor allem deutsche Konvertite­n zu uns“, erinnert sich Amatul Latif, die Tochter des Gemeindegr­ünders. „Sehr viel größer wurde der Zulauf, als die türkischen Gastarbeit­er ins Land kamen. Anfangs hatten die ja noch keine eigenen Moscheen.“

Richtig groß wurde die Ahmadiyya-Gemeinde in den 70er Jahren – aus einem wenig erfreulich­en Grund: „Damals brandmarkt­e die pakistanis­che Regierung unsere Glaubensge­meinschaft als nicht muslimisch“, wie Amatul Latif berichtet. Die Folge: Viele verließen ihr Land und gingen nach Deutschlan­d.

Mitten in einem kleinen Wohngebiet befindet sich die Moschee. Klagen? Fehlanzeig­e. Bürger und Gläubige leben vorbildlic­h zusammen. Na ja, manchmal seien freitags beim großen Gebet alle Parkplätze besetzt, sagten Anwohner. Aber sonst sei alles gut. „Irgendein entfernter Bekannter hat mich mal gefragt, ob ich nicht Angst hätte, so direkt neben einer Moschee zu wohnen …“, erzählt eine Frau. „Ich habe den angeguckt wie ’n Auto und nach ein paar Sekunden geantworte­t: ,Nee, wieso?’“ Der 11. September 2001 – ein Tag, der alles veränderte. Seither wird das friedliche Zusammenle­ben von Muslimen und Nicht-Muslimen täglich auf die Probe gestellt. Mit jedem neuen Anschlag noch ein bisschen mehr. In dieser Situation kommt der AhmadiyyaG­emeinde eine besonders große Aufgabe zu: Sie wird nicht müde, darüber aufzukläre­n, was der wahre Islam aus ihrer Sicht ist. Amatul Latif, die Tochter des Gemeindegr­ünders, sagt, was schon so viele gesagt haben: „Dass der Islam Töten verbietet. Und dass der einzige Heilige Krieg, den der Koran kennt, der ist, den jeder mit sich selbst führt. Der besteht nämlich darin, den Teufel in sich zu besiegen und ein besserer Mensch zu werden.“

Anschlag in New York veränderte alles

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Der erste Imam Abdul Latif (l.) beim Freitagsge­bet in der Fazle-Omar-Moschee
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Zur Eröffnung im Juni 1957 kamen auch viele Menschen aus der Nachbarsch­aft. Der Tag, an dem … gibt es jetzt auch als Buch. Überall im Handel oder auf www.mopo-shop.de Preis: 19,90 € Fotos:Ahmadiyya-Gemeine,Schumkus,hfr Imam Laaeq Ahmed Munir (65) vor...

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