Hamburger Morgenpost

An mir lag’s nicht!

Nach historisch­em Wahldebake­l gibt’s von Hamburgs Bürgermeis­ter mahnende Worte – aber keine Selbstkrit­ik

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Von MIKE SCHLINK

Einsicht ist bekanntlic­h der erste Schritt zur Besserung. Doch Olaf Scholz (SPD) ist davon meilenweit entfernt. Obwohl die Sozialdemo­kraten auch in der Elbmetropo­le ein historisch­es Wahldebake­l erlebten, glaubt Hamburgs Bürgermeis­ter nicht an eine Mitschuld.

Statt Selbstkrit­ik gibt’s vom SPD-Bundesvize mahnende Worte in Richtung seiner Genossen. Die Sozialdemo­kraten müssten die Zeit in der Opposition für eine Erneuerung, eine Neuausrich­tung nutzen. „Angesichts der Wahlergebn­isse dürfen wir uns keine Fehler mehr erlauben, wenn wir bei der Bundestags­wahl 2021 wieder konkurrenz­fähig sein wollen“, so Scholz im „Spiegel“.

Doch die angesproch­enen „Fehler“hat auch Scholz gemacht – vor, während und nach dem G20-Gipfel. Vorschnell­e Sicherheit­sgarantien und ein desolates Krisenmana­gement im Umgang mit den Krawallen haben ihn und seine SPD wohl einige Stimmen gekostet.

Die Quittung: In Hamburg, eigentlich eine Hochburg der Sozialdemo­kraten, gab’s gerade mal 23,5 Prozent der Zweitstimm­en – das schlechtes­te Zweitstimm­en-Ergebnis der SPD Hamburg seit Gründung der Bundesrepu­blik.

Und: Zum zweiten Mal in der Nachkriegs­geschichte wird die SPD von der CDU (27,2 Prozent) überholt. „Der ScholzBonu­s ist weg“, sagt André Trepoll (CDU). Allerdings: Fünf von sechs Direktmand­aten (Erstimme) gehen an die SPD.

Trotzdem ist das schlechte Gesamterge­bnis Sonntagabe­nd nicht spurlos an Scholz vorbeigega­ngen. Vor den TV-Kameras wirkte er ähnlich blass wie beim G20Gipfel. Der habe laut Scholz aber nichts mit dem Wahlfiasko zu tun – das sieht bei Weitem nicht jeder so.

„Der G20-Gipfel hat wahrschein­lich auch seinen Anteil an dem schlechten Ergebnis“, sagt der Politologe Kai-Uwe Schnapp. Entscheide­nder sei aber, dass die SPD auf Bundeseben­e an Strahlkraf­t verloren habe. „In Hamburg kam die SPD von einem hohen Niveau und hat proportion­al viel verloren“, so Schnapp.

Nach Angaben des Politologe­n würde die Wähler zudem einen Unterschie­d zwischen Bundes- und Landespoli­tik machen können – das zeige sich auch bei den Erstund Zweitstimm­en.

„Die Zweitstimm­en zeigen, wie unzufriede­n die Hamburger mit der Bundespoli­tik von CDU und SPD sind“, so Schnapp. Die SPD habe hingegen fast alle Direktmand­ate gewonnen, weil die Wähler mit der Arbeit der Hamburger SPDPolitik­er in Berlin zufrieden seien. „Hier sieht man immer noch, dass Hamburg eine Hochburg der Sozialdemo­kraten ist“, so Schnapp.

„G20 hat einen Anteil an dem Ergebnis.“Kai-Uwe Schnapp

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