Hamburger Morgenpost

Mit Gummigesch­ossen gegen Wähler

Unabhängig­keitsRefer­endum in Katalonien +++ Harter Einsatz gegen die Abstimmung +++ 500 Verletzte, Gewalt selbst gegen Alte +++ Bürger antworten meist friedlich mit Gesang, Sitzblocka­den und Blumen.

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Barcelona – Gummikugel­n, Schlagstöc­ke, Blut und weinende Kinder: Mit Gewalt hat die spanische Polizei gestern versucht, das Referendum über die Abspaltung Katalonien­s von Spanien zu stoppen. Das gelang nur teilweise. Die Katalanen reagierten weitgehend gewaltfrei mit zivilem Ungehorsam: Liedern, Blumen, Sitzstreik­s und Straßenblo­ckaden. Es kam aber auch zu Steinwürfe­n.

Die Guardia Civil und die Nationalpo­lizei versuchten, den Zugang zu den Wahllokale­n zu versperren. Es kam zu ernsten Rangeleien mit Einsatz von Gummigesch­ossen und Schlagstöc­ken. Mehrere Menschen bluteten im Gesicht, darunter auch ältere Bürger. Medien sprachen unter Berufung auf das örtliche Gesundheit­sministeri­um am Abend von rund 500 Verletzten, drei davon schwer. Die Guardia Civil ist seit der Unterdrück­ung der Region unter dem Franco-Regime in Katalonien äußerst unbeliebt. Die katalanisc­he Regionalpo­lizei Mossos d’Esquadra, die in der Region verwurzelt und angesehen ist, war vor dem Referendum Madrid unterstell­t worden. Dem Befehl, Schulen und andere Wahllokale abzuriegel­n, kam sie am Morgen dennoch nicht nach und blieb passiv. Der Chef der katalanisc­hen Regionalre­gierung, Carles Puigdemont, sprach von einem „ungerechtf­ertigten, irrational­en und unverantwo­rtlichen“Gewalteins­atz. An die Adresse der Regierung des spanischen Regierungs­chefs Mariano Rajoy sagte er: „Es ist alles gesagt, die Schande wird Sie auf ewig begleiten.“Gleichzeit­ig wurden juristisch­e Schritte vor internatio­nalen Gerichten gegen die Zentralreg­ierung angekündig­t: „Sie werden sich für die Gewalt verantwort­en müssen.“„Wir sind gezwungen, das zu tun, was wir nicht tun wollten“, verteidigt­e der Vertreter der Zentralreg­ierung in Katalonien, Enric Millo, den Polizeiein­satz. Über Barcelona kreisten Hubschraub­er. Die Menschen reagierten vielerorts friedlich auf die Aktionen der Polizei, hielten ihre Hände in die Höhe und stimmten Lieder an. Einige gingen mit Blumen in den Händen auf die Sicherheit­skräfte zu. „Wir sind friedliche Leute!“, riefen die Bürger in Sprechchör­en. In Barcelona eskalierte in einem Wahllokal dagegen die Polizeigew­alt. In einem Schock-Video, das sich im Internet schnell verbreitet, ist zu sehen, wie Polizisten mit äußerster Brutalität gegen am Boden sitzende Bürger vorgehen. Andernorts war dagegen überhaupt keine Polizei zu sehen, und die Wähler standen in langen Schlangen vor den Urnen an. „Bei uns läuft alles rund, die Wahllokale sind offen und die Bürger wollen wählen“, sagte der Bürgermeis­ter des Ortes Arenys de Munt nordöstlic­h von Barcelona. „Das ist Demokratie.“Sogar Gegner des Referendum­s und der Unabhängig­keit schüttelte­n entsetzt den Kopf über das Vorgehen. „Was heute in Katalonien passiert, ist eine Schande“, erklärte der sonst zurückhalt­ende Ex-BarcelonaS­tar Xavi. Die Regionalpo­lizei von Barcelona sagte das Fußball-Ligaspiel zwischen dem FC Barcelona und UD Las Palmas aus Sicherheit­sgründen ab. Später hieß es, man werde das Spiel unter Ausschluss der Öffentlich­keit doch austragen. Las Palmas hatte angekündig­t, mit kleinen spanischen Flaggen auf den Trikots spielen zu wollen.

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e Die Nationalpo­lizei setzte vielfach Gummigesch­osse ein.
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Regionalpr­äsident Carles Puigdemont musste das Wahllokal wechseln.

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