„Topleistung in jeder Sekunde“
Bundestrainer zieht vor dem Aserbaidschan-Spiel die Zügel an
Nur ein Schaulaufen in Kaiserslautern? Von wegen! Nach dem gelösten Ticket für Russland will die deutsche Nationalmannschaft gegen Aserbaidschan die perfekte WMQualif kation hinlegen und sich schon jetzt auf das Turnier einschießen.
Joachim Löw schritt mit der gewohnten Spannung durch den Rhein-Main-Saal des Luxushotels „Hyatt Regency“in Mainz. Nach der erfolgreichen WMQualifikation zeigte sich der Bundestrainer zwar ganz entspannt, doch für die abschließende Partie in Kaiserslautern gegen Aserbaidschan zieht er die Zügel noch einmal an – weil er weiß, dass die Konkurrenz ihm im Nacken sitzt. „Der Kampf an der Spitze wird brutal hart“, prognostizierte Löw und mahnte: „Glaubt doch bloß nicht, dass wir die Einzigen sind, die wirklich gute Spieler haben. Auch andere Nationen haben in der Ausbildung unglaublich aufgeholt und sind hartnäckig. Auch wir als Weltmeister müssen uns neu erfinden und neu definieren.“
Der Anreiz ist auch bei den Spielern entsprechend groß. „Es wäre ärgerlich, sich die Bilanz zu Hause gegen Aserbaidschan zu versauen“, sagte Mats Hummels mit Blick auf das Duell mit dem 92. der FIFA-Weltrangliste, für das Löw „den einen oder anderen Wechsel“ankündigte. Torhüter Bernd Leno, Emre Can und Leroy Sane rücken im Gegensatz zum Sieg in Nordirland (3:1) in die Anfangsformation. Auch Leon Goretzka erhielt nach der Abreise von Toni Kroos (Rippenprobleme) für den Start in die WM-Testphase eine Startelf-Garantie.
Bei allem Ehrgeiz für eine makellose Bilanz ist Löws Denken und Handeln schon voll auf die Mission Titelverteidigung in Russland 2018 fixiert. Gestern richtete er einen deutlichen Appell an seine Spieler. „Alle 23 müssen auf den Punkt genau auf dem höchsten Niveau sein, um zu jeder Minute, zu jeder Sekunde des Turniers Topleistung abzurufen. Nur dann ist der Titel möglich“, sagte Löw, der sich zwischen seinen umfangreichen Ausführungen über seine WM-Gedanken zur Stärkung einen Espresso bringen ließ und kurz an seinem Wasserglas nippte.
Mit der Partie gegen Aserbaidschan im Fritz-Walter-Stadion beginnt für die Spieler auch das WM-Casting. 36 Profis wurden im Verlauf der Qualifikation für die Endrunde (14. Juni bis 15. Juli) eingesetzt – der häufig verletzte Dortmunder Marco Reus war nicht dabei. Dementsprechend groß ist die Auswahl im kommenden Jahr für das 23-Mann-Aufgebot. Es dürfte einige Härtefälle geben. Löw wäre aber „heilfroh“, wenn er bei der Kader-Zusammenstellung 2018 „eine Riesenauswahl“hätte und die Entscheidung „richtig hart“sei.
Seine Anforderungen an die Spieler für „das schwerste Turnier überhaupt“sind enorm. „Wir müssen uns in allen Bereichen weiter verbessern. Wir müssen diesen immensen Hunger haben, um dieses Turnier unbedingt zu gewinnen“, betonte Löw. Der letzte Weltmeister, der den Pokal auch vier Jahre später wieder gewann, war Brasilien (1958 und 1962).
Während die Brasilianer in Russland sicher dabei sein werden, müssen andere ExWeltmeister noch bangen. Reinhard Grindel, der in Mainz das Logo für die EM-Bewerbung 2024 präsentierte, konnte sich einen Seitenhieb daher nicht verkneifen. „Länder wie Argentinien, Portugal und Italien würden gerne mit uns tauschen“, sagte der DFBPräsident mit einem Lächeln. „Hinter unseren Erfolgen“, erklärte Grindel, „steckt ausgesprochen harte und professionelle Arbeit.“Diese geht für Löw „jetzt erst richtig los“.