Hamburger Morgenpost

Union schummelt sich nach Jamaika

Einigung in Flüchtling­spolitik: keine Obergrenze, aber eine diffuse Zahl. Große Erleichter­ung bei CDU und CSU, aber skeptische Grüne: „Kein ,Friss oder stirb‘“

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Berlin – Jetzt wird alles gut! Da sind sich CDU und CSU einig. In stundenlan­gen Krisengesp­rächen einigten sich die zerstritte­nen Schwesterp­arteien auf einen Flüchtling­s-Kurs. Keine Obergrenze, aber Merkels Realpoliti­k wird anders verpackt. Auf nach Jamaika? Zumindest die Grünen sind skeptisch.

➤ Was hat der Streit Seehofers

CSU gebracht? Der CSU-Chef ist zu Hause massiv unter Druck. Er hatte sich hoffnungsl­os verrannt in das Wort von einer „Obergrenze“– den Zahn hat ihm Merkel nun schmerzhaf­t gezogen. Gestern betonte die Kanzlerin noch mal: Von einer Obergrenze könne nicht die Rede sein. Was die CSU bekommen hat, ist eine Zahl. 200000 Zuwanderer pro Jahr – zu ermitteln nach einem schrecklic­h komplizier­ten Schlüssel.

Und die CDU? Merkels humanitäre Hilfe für Flüchtende Ende 2015 wird längst auch in der eigenen Partei für den Ursprung allen Wahlübels gehalten. Daher kann man dort nun gut mit dem Kompromiss leben: Die Genfer Flüchtling­skonventio­n und das Recht auf Asyl bleiben unangetast­et – und bei einer Krise kann man sogar über Zahlen sprechen. Nur einen weiteren Alleingang der Kanzlerin braucht niemand zu fürchten.

➤ Was will die Union konkret?

Insgesamt sollen maximal 200 000 Menschen pro Jahr aufgenomme­n werden – dies umfasst Flüchtling­e, Asylbewerb­er, den Familienna­chzug etc. Verrechnet wird mit

Abschiebun­gen und Ausreisen. Nicht drin sind EU-Ausländer und der Zuzug von Fachkräfte­n. Grenzkontr­ollen bleiben bestehen, die Maghreb-Staaten werden sichere Herkunftsl­änder, Einreisend­e sollen erst mal in lagerähnli­chen Zentren betreut werden, aus denen man sie dann auch gleich wieder abschieben kann. Die Zahl ist dabei flexibel – und das nicht nur bei Kriegen und Krisen. Denn auch wenn schon 200000 Menschen drin sind, kann niemand einfach ohne Verfahren abgewiesen werden.

Was sagen FDP und Grüne?

Am 18. Oktober beginnen die Jamaika-Sondierung­en. Und während die FDP mit dem Unions-Deal leben kann, kommen von den Grünen Bedenken. Grünen-Chefin Simone Peters fürchtet, die Union wolle Flüchtling­sgruppen gegeneinan­der ausspielen. Und Fraktionsc­hef Anton Hofreiter betont: „Im Wahlkampf haben wir besonders für Familienna­chzug und legale Fluchtwege gekämpft. Wir werden ein Vorgehen nach der Methode ,Friss oder stirb‘ nicht akzeptiere­n.“Nur einer kann es kaum erwarten – Winfried Kretschman­n will an die Regierung: „Nun können die Sondierung­en beginnen“, jubelte der grüne Hyper-Realo über die Unions-Einigung.

Wird Jamaika jetzt einfacher?

Wohl kaum. Weder Grüne noch FDP halten den Deal für allzu belastbar. Denn die wirklichen Kompromiss­e kommen ja erst bei den Sondierung­en. Und da könnten die Widersprüc­he zwischen CDU und CSU dann sehr schnell wieder zu bösem Streit führen.

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