Brillanter Mix aus Fantasie und Fakten
Daniel Kehlmann versetzt Till Eulenspiegel in den 30-jährigen Krieg
„Die Vermessung der Welt“machte ihn international berühmt. In „Tyll“hat sich der Bestsellerautor Daniel Kehlmann des berühmten Spaßmachers Till Eulenspiegel angenommen.
Eigentlich gehört der mittelalterliche Schelm nicht in den Dreißigjährigen Krieg. Doch der Autor versetzt ihn in seinem neuen Buch kurzerhand in den fatalen Glaubenskrieg des 17. Jahrhunderts. Statt eines akkuraten Historienromans gibt es ein brillantes Gemisch aus Fantasie, profundem Wissen und schrägem Humor – urkomisch und todtrauig zugleich.
Vor allem geht es um den Wahnsinn des Krieges, die Verlogenheit der Konfessionen, die diese Katastrophe für Europa heraufbeschworen haben, und um die Verheerungen, die die Gewalt in der Seele der Menschen anrichtet.
Als Tylls Vater wegen Hexerei gehängt wird, flieht der Sohn und schließt sich einem Gaukler an. Seiltanzend und jonglierend wird er bald zum berühmtesten Spaßmacher des Heiligen Römischen Reichs – auch im Granatenhagel der Schwedenarmee.
Am Schluss bleibt ein verwüstetes Land: Leichenberge, brennende Dörfer, marodierende Banden. Es ist, als sei dem Grauen nur durch Galgenhumor beizukommen. Leichthändig wie Tyll mit seinen Bällen webt Kehlmann in die elegant und schnörkellos erzählte Geschichte eine Fülle kurioser Figuren ein. Die acht Episoden sind virtuos ineinander verschoben und miteinander verknüpft, selbst wenn der Leser die Zeichen oft erst später entziffern kann. NW
Daniel Kehlmann: „Tyll“, 480 S., 22,95 Euro, Rowohlt Verlag Reinbek Daniel Kehlmanns neuer Roman „Tyll“(o.). Der 42Jährige wurde mit „Die Vermessung der Welt“zum Bestsellerautor.