Kennedybrücke: Stadt vertreibt Obdachlose
Zwangsräumung angedroht: Warum das Bezirksamt Mitte plötzlich so hart gegen die Camper vorgeht
Von ANASTASIA IKSANOV, PATRICK SUN und MIKE SCHLINK
Seit Jahren zelten sie am Alsterufer zwischen der Kennedy- und der Lombardsbrücke. Jetzt plötzlich sollen die Obdachlosen zwangsgeräumt werden! Die Camper sind schockiert und empört: „Wir wissen überhaupt nicht, wo wir hinsollen.“
Sieben Zelte stehen derzeit am Alsterufer zwischen den Brücken, die Schlafplätze wirken aufgeräumt. „Wir halten hier alles sauber, machen kein offenes Feuer“, sagt Mathias S. (40) zur MOPO. Er lebt hier mit seinem Kumpel Raphael W. (30) – und ist zutiefst erschüttert. „Eigentlich stören wir hier doch niemanden.“Im Bezirksamt Mitte sieht man das anders.
Im Beisein der Polizei erscheinen am Donnerstagmorgen zwei Bezirksmitarbeiter bei den Obdachlosen. „Wir dürften hier nicht zelten, sagte man uns. Weil Zelten in Grünanlagen grundsätzlich verboten sei“, sagt Mathias S. Schließlich drücken die Bezirksmitarbeiter den Obdachlosen Zettel in die Hände: Bis Freitag um 10 Uhr sollen sie verschwunden sein. Ansonsten droht die Zwangsräumung. Ein Ansprechpartner ist auf den Zetteln nicht vermerkt.
„Die Obdachlosen werden regelmäßig aufgefordert, den Platz zu räumen“, sagt Sorina Weiland, Sprecherin des Bezirksamts Mitte. Das Zelten unter der Brücke werde geduldet – auf der Grünfläche zwischen den Brücken sei es aber verboten. Mathias S. und seine Mitstreiter argumentieren hingegen, dass sie ihre Zelte auf den Betonplatten unter der Kennedybrücke nicht vernünftig befestigen könnten.
Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer von „Hinz&Kunzt“hält eine Räumung für falsch. „Es gibt für viele keine vernünftigen Alternativen, als in Grünanlagen oder unter Brücken zu schlafen“, sagt er. So dürften zum Beispiel viele Osteuropäer nicht in Obdachlosenunterkünften schlafen.
Geräumt wurde gestern übrigens nicht. Laut Sorina Weiland soll das nun am Montag passieren.