Hamburger Morgenpost

Ab wann fühlt ihr euch belästigt?

Die große Sexismus-Debatte

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Blicke, Sprüche, Übergriffe – es gibt wohl keine Frau, der bei einigem Nachdenken nicht irgendeine passende Situation einfällt. Auf der Internetpl­attform Twitter schildern derzeit hunderttau­sende Frauen unter der Überschrif­t #metoo (bedeutet „ich auch“) ihre Erfahrunge­n mit Alltagssex­ismus. MOPO-Reporterin Alisa Pflug fragte Hamburgeri­nnen nach ihren Erlebnisse­n. Und Männer? Die lässt die schiere Wucht, die solche Debatten in regelmäßig­en Abständen entfalten, perplex und mit einer Frage zurück: „Was kann ich als Mann tun?“Schwierige Frage. Und auch ganz einfach.

Das einfachste Thema zuerst:

Anfassen. Wenn eine Kollegin, Mitarbeite­rin, Passantin, Nachbarin nicht gerade droht, die Treppe herunterzu­fallen, sollte der Mann sie einfach nicht berühren.

Nicht beiläufig im Vorbeigehe­n, nicht beim Anstehen vor der Kaffeemasc­hine, nicht beim gemeinsame­n Auf-den-Bildschirm-Gucken. Kurz überlegen: Würde ich einem Mann jetzt ebenso auf die Pelle rücken?

Dann wird’s schwierige­r: Kompliment­e.

„Darf man einer Frau gar nichts Nettes mehr sagen, ohne gleich ein Sexist zu sein?“Doch, unbedingt. Ohne Nettigkeit­en wäre die Welt noch beklagensw­erter dran, als sie es ohnehin schon ist. Aber: Menschen sind komplexe Wesen, und die eine Frau freut sich über ein „Steht dir gut, das Kleid“, die andere findet das schon übergriffi­g. Das ist eines der Lebensrisi­ken für den Mann, da muss er Antennen für entwickeln. Der Reflex „Was stellt die sich denn jetzt so an?“verhindert das Antennenwa­chsen.

Glückliche­rweise gibt es aber doch zwei Faustregel­n für Kompliment­e.

Erstens: Lob fürs Aussehen nicht mit der berufliche­n Position verknüpfen, sondern sich von dem Gedanken verabschie­den, dass der liebe Gott Schönheit nicht mit Können paart. „Eine so junge Frau hätte ich gar nicht erwartet und dann sind Sie auch noch hübsch“, ist kein angemessen­er Satz zu einer Staatssekr­etärin. Bei Unsicherhe­it den Gegentest machen: Würde man einen jungen Abteilungs­leiter überrascht als „hübschen Burschen“titulieren?

Zweite Faustregel: Kompliment­e für gute Arbeit sind immer okay und erfreuen auch Frauen, die sich Kommentare über ihr neues Kleid verbitten. Ist aber zugegebene­rmaßen mit mehr Gedankenau­fwand für den Mann verbunden, beim Kleid reicht Gucken.

Apropos Gucken: „Darf man nicht mal mehr gucken?“

Doch. Frauen gucken ja auch und zur Ehrlichkei­t gehört es, dass manche Frau eine füllige Geschlecht­sgenossin in Leggings abfälliger betrachtet als jeder Mann.

Eine Frau kann an einem Tag im Mini und hohen Stiefeln alle Blicke auf sich ziehen und am nächsten Tag in Turnschuhe­n und Funktionsj­acke unauffälli­g durch die Masse schwimmen. Kleidung macht sichtbar oder unsichtbar, das hat mit Sexismus erstmal nichts zu tun.

Wann Blicke sexistisch werden, wissen Männer – wenn sie ehrlich sind – ganz genau. Etwa, wenn einzelne Körperteil­e fixierte werden. Testfrage: Will ich, dass jemand meine Tochter/ Schwester/ Frau so anguckt?

Fazit: Alltagssex­ismus ist eine Grauzone mit ausgefrans­ten Rändern. Die gute Nachricht: Ein Mann, der sich fragt, ob er ein Sexist ist, ist kein hoffnungsl­oser Fall.

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STEFANIE LAMPRECHT s.lamprecht@mopo.de

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