Ökologische Katastrophe fatal für alle
Erschreckende Zahlen Deutschland: Innerhalb von zwölf Jahren 12,7 Millionen Brutpaare weniger. Insekten-Bestand schrumpft
Weniger Mücken, weniger Fliegen, weniger Wespen – ist doch eine gute Nachricht, oder? Nein, natürlich nicht. Wenn Wissenschaftler jetzt einen Rückgang bei den Insekten um bis zu 80 Prozent nachweisen, ist das eine ökologische Katastrophe mit fatalen Auswirkungen für uns alle. Denn ohne Insekten verhungern viele Vögel. Die weitaus meisten Wildpflanzen sind angewiesen auf die Bestäubung durch Bienen, Hummeln und Co., ohne die im Tier- und Pflanzenreich ein tausendfacher Artentod droht. Auch wenn die Ursachen für das Insektensterben nicht eindeutig geklärt sind: Wir müssen schnell Rahmenbedingungen schaffen, um den bedrohten Tieren das Überleben zu erleichtern. Zum Beispiel durch die Einrichtung von naturbelassenen Ackerrandstreifen. Oder durch die Schaffung von Brachland – Agrarflächen, die über mehrere Jahre nicht bewirtschaftet werden. Entsprechende finanzielle Anreize für Bauern sind eine politische Entscheidung, die sich zügig umsetzen lässt. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wenn wir jetzt nicht rasch gegensteuern, ist der erste Frühling ohne Vogelgezwitscher nicht mehr fern.
Berlin – Der Star ist der frischgekürte Vogel des Jahres 2018. Doch immer seltener bekommen wir ihn zu sehen. Und nicht nur ihn. Die Zahl der Vögel in Deutschland geht nach Berechnungen des Naturschutzbundes (Nabu) generell dramatisch zurück. In nur zwölf Jahren hat Deutschland demnach 12,7 Millionen Vogelbrutpaare verloren. Ein Rückgang um 15 Prozent!
Kein Vogelgezwitscher mehr am Morgen? Keine Starenschwärme mehr am Himmel? Unmöglich ist das nicht: „Aufgrund der dramatischen Zahlen muss man von einem regelrechten Vogelsterben sprechen“, sagt Nabu-Präsident Olaf Tschimpke. „Während wir es schaffen, große und seltene Vogelarten durch gezielten Artenschutz zu erhalten, brechen die Bestände unserer Allerweltsvögel ein.“Sie fänden in der aufgeräumten Agrarlandschaft außerhalb von Naturschutzgebieten kaum noch Überlebensmöglichkeiten.
Laut Nabu-Vogelschutzexperte Lars Lachmann finden sich neben dem Star mit Feldlerche, Feldsperling und Goldammer drei weitere Vögel der Agrarlandschaft unter den zahlenmäßig größten Verlierern. Und er ist sicher: „Die Entwicklung unserer landwirtschaftlich genutzten Flächen ist auch der mutmaßliche Grund für diesen massiven Bestandseinbruch.“
Im betroffenen Zeitraum habe der Anteil an artenreichen Wiesen und Weiden oder Brachflächen drastisch ab-, der intensive Anbau von Mais und Raps dagegen stark zugenommen.
Die besorgniserregende Entwicklung bei den Vögeln hänge wohl mit dem Rückgang der Zahlen bei den Insekten zusammen. Auch ihnen fehle der Lebensraum. Eine am Mittwoch in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „PLOS ONE“veröffentlichte Studie hat die dramatischen Befunde zum Insektenrückgang in Nordwestdeutschland bestätigt. Seit den 90er Jahren hat dort die Masse der Fluginsekten zwischen 76 und 81 Prozent abgenommen. Durch die große Anzahl der untersuchten Standorte und Lebensals räume kann die Studie reganz präsentativ für Deutschland erachtet werden. „Ein direkter Zusam- menhang mit dem Vogelrückgang ist sehr wahrscheinlich, denn fast alle betroffenen Arten füttern zumindest ihre Jungen mit Insekten“, so Lachmann.
Auch am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee sieht Forscher Wolfgang Fiedler einen Trend zum schleichenden Verlust von Vogelarten. „Wir haben keine eigenen Daten. Aber es trifft auch Vögel, die wir für häufig halten“, sagte er. Fiedler vermutet neben dem Insek-