Freispruch für Özen!
Otto-Schwiegersohn behauptet, dass er vom türkischen Geheimdienst in die Falle gelockt wurde
Von ALISA PFLUG
Freispruch für Profi-Boxer Ismail Özen (37)! Er hatte im Juli 2016 bei einer Schlägerei einen 23-Jährigen durch einen Faustschlag schwer im Gesicht verletzt. Bis heute behauptet er, dass er vom türkischen Geheimdienst in die Falle gelockt wurde.
Wie schon am ersten Verhandlungstag drängeln sich zahlreiche Kamerateams vor dem Saal im Amtsgericht, in dem der Fall Özen verhandelt wird – der Angeklagte ist schließlich der Schwiegersohn von Versandhauskönig Michael Otto (74). Özen erscheint mit zahlreichen Familienmitgliedern auf dem Gerichtsflur, er wirkt entspannt. Fast siegessicher.
Was wird dem Boxer vorgeworfen? Die Geschichte klingt wie eine Räuberpistole: Am Abend des 23. Juli 2016 erhielt Özen von einem Neffen eine SMS. Darin bat der junge Mann seinen Onkel um Hilfe. Özen brach sofort in Richtung Waidmannstraße (Altona-Nord) auf – er ahnte nicht, dass sein Neffe gezwungen wurde, ihn anzurufen.
Einer der Männer, die den Neffen damals unter Druck setzten, bestätigt vor Gericht Özens Darstellung. Er gibt zu, dass er den Auftrag hatte, Özen in eine Falle zu locken. Und wer war sein Auftraggeber? Eine Frau, die angeblich Kontakt zum türkischen Geheimdienst hat. Diese Frau erscheint nicht vor Gericht – obwohl ihre Aussage angekündigt war.
In der Waidmannstraße kam es im Juli 2016 auf offener Straße zu einem Handgemenge. Zwei Männer gingen mit einem Messer auf Özen los. Gleichzeitig stiegen andere Männer aus einem Auto aus – Özen vermutete, dass auch sie ihn angreifen wollten, und versetzte einem von ihnen einen Faustschlag mitten ins Gesicht. Özens Opfer war Dimos P. (23) – doch der hatte mit der Attacke gar nichts zu tun, war einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Er erlitt eine schwere Mittelgesichtsfraktur. Özen entschuldigte sich bei dem Mann. Verteidigung wie Staatsanwaltschaft sind übereinstimmend der Meinung, dass Özen freizusprechen ist. Er habe in Notwehr gehandelt. In der unübersichtlichen Situation habe er keinen Überblick darüber haben können, wer ihn wirklich angreifen wollte, wer nicht.
Özen vermutet hinter dem Angriff eine Falle des türkischen Geheimdienstes. Dass Präsident Erdogan den Boxer auf dem Kieker hat, ist gut möglich: Özen gilt als Unterstützer der kurdischen Oppositionspartei HDP, der wiederum eine Nähe zur PKK nachgesagt wird. Özen hat die Türkei immer wieder attackiert. Auch gestern. Er sagte nach dem Urteil: „In der Türkei werden alle Leute, die nicht für die Regierung sind, umgelegt.“
„Leute, die gegen die Regierung sind, werden umgelegt.“Ismail Özen über die Türkei