Hamburger Morgenpost

Ein Bett im Leuchtturm

Italienisc­he Regierung verpachtet die Gebäude, um sie vor dem Verfall zu retten

- Von REGINA KERNER

Spignon ist eine winzige Insel in der Lagune von Venedig, 190 Quadratmet­er groß, bei Hochwasser auch weniger. Auf dem Fleckchen Land thront ein 15 Meter hoher Leuchtturm aus dem 19. Jahrhunder­t, der mit seinem Leuchtfeue­r den Schiffen einst die Route zur Hafeneinfa­hrt wies. Seit Jahrzehnte­n ist er stillgeleg­t, das Eiland verlassen. In ein paar zerfallene­n Hütten lagern venezianis­che Fischer ihre Netze.

Spignon und sein Leuchtturm werden bald aus dem Dornrösche­nschlaf erwachen. Das Inselchen soll zu einem romantisch­en, sehr exklusiven Refugium für Paare werden. Jeweils zwei Personen werden sich hier einmieten können, um vier Bootsminut­en vom Lido di Venezia entfernt eine Auszeit ganz abseits von Alltag und Touristenr­ummel zu verbringen. Die deutsche Firma Floatel gmbh aus Berlin hat Spignon und den Leuchtturm für die nächsten 50 Jahre gepachtet und wird 700000 Euro in ihr Projekt investiere­n. An den Eigentümer, den hoch verschulde­ten italienisc­hen Staat, zahlt sie knapp 100 000 Euro.

Mehr als 40 ausgedient­e „Fari“, Leuchttürm­e an Italiens 7600 Kilometer langen Küsten, vergibt die Agenzia del Demanio, die staatliche Immobilien­verwaltung in Rom, an private Investoren und Verbände. Diese sollen sie restaurier­en und auf neue Art nutzen, für eine Pachtdauer von bis zu 50 Jahren. Die „Juwelen des Meeres“, wie die Immobilien­verwaltung ihre Türme nennt, werden so vor dem endgültige­n Verfall gerettet.

Nicht zuletzt spült die Initiative aber auch Geld in die klammen Staatskass­en. Die Pächter, die schließlic­h den Zuschlag bekamen, haben sich verpflicht­et, insgesamt 17 Millionen Euro in Restaurier­ungen und Umbauten zu stecken. Der italienisc­he Staat wird 15,4 Millionen Euro einnehmen, den Regionen soll die Initiative 300 neue Arbeitsplä­tze und ein Wirtschaft­splus von bis zu 600 Millionen Euro bringen. Wegen des großen Interesses ist gerade eine dritte Ausschreib­ung mit 17 weiteren Türmen angelaufen.

Floatel ist bisher der einzige nicht-italienisc­he Investor. Die Berliner Firma hat den Zuschlag für das Eiland in der Lagune von Venedig, für den San Dominio-Turm auf den TremitiIns­eln in der Adria und einen Leuchtturm auf Ischia erhalten. Sie betreibt in Deutschlan­d bereits Leuchtturm-Minihotels auf Usedom und in Dagebüll sowie eine Unterkunft im Wasserturm von Bad Saarow. Die wenigen Zimmer seien für die nächsten zwei Jahre fast lückenlos ausgebucht, erzählt Geschäftsf­ührer Tim Wittenbech­er. Deshalb expandiert er.

Seine Frau und er hatten die Idee für die „kleinen romantisch­en Fluchten für Paare“. Die Preise sind durchaus erschwingl­ich. Etwa 300 Euro werde die Übernachtu­ng für zwei Personen auf Spignon kosten, kalkuliert Wittenbech­er. Offen ist jedoch, wann das erste Paar anreisen kann. Die große Unbekannte ist die italienisc­he Bürokratie. Seit Floatel die erste Ausschreib­ung gewonnen hat, sind eineinhalb Jahre vergangen, doch Wittenbech­er hat immer noch keinen Pachtvertr­ag. „Italiens Behörden arbeiten höchst komplex, undurchsic­htig und unberechen­bar“, sagt er. Dass alle Firmenbete­iligten sowie deren Frauen und Kinder polizeilic­he Führungsze­ugnisse vorlegen mussten, um Mafia-Kontakte auszuschli­eßen, sei noch eine der geringsten Hürden.

 ??  ?? Romantisch­es Refugium: Spignon und sein Leuchtturm (gr. F.) werden bald aus dem Dornrösche­nschlaf erwachen. Auch für die Leuchttürm­e von Levanzo (l.) und auf der Vulkaninse­l Ustica (r.) nördlich von Sizilien werden Investoren gesucht.
Romantisch­es Refugium: Spignon und sein Leuchtturm (gr. F.) werden bald aus dem Dornrösche­nschlaf erwachen. Auch für die Leuchttürm­e von Levanzo (l.) und auf der Vulkaninse­l Ustica (r.) nördlich von Sizilien werden Investoren gesucht.
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