Hamburger Morgenpost

Rebellen entmachtet

Barcelona bald unter Zwangsverw­altung. Neuwahlen geplant

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Madrid – Lange hatte die spanische Regierung den Katalanen gedroht. Gestern nun ist Madrid den angekündig­ten Schritt gegangen und hat auf Grundlage von Artikel 155 der spanischen Verfassung die Entmachtun­g der Regionalre­gierung in Barcelona beschlosse­n. Den Unabhängig­keitsbestr­ebungen der Katalanen (MOPO berichtete) scheint damit fürs Erste ein Riegel vorgeschob­en. Die Region soll in den nächsten Monaten von Madrid aus zwangsverw­altet werden.

Das Hauptziel der geplanten Zwangsmaßn­ahmen sei die Ausrufung von Neuwahlen in der Region innerhalb von sechs Monaten, erklärte Spaniens Ministerpr­äsident Mariano Rajoy gestern nach einem außerorden­tlichen Treffen des Ministerra­ts in Madrid. Rajoy sagte, man habe Artikel 155 nicht aktivieren wollen, sei aber von Katalonien „dazu gezwungen“worden.

Weitere Ziele der Zwangsmaßn­ahmen seien die Wiederhers­tellung der Rechtmäßig­keit und des friedliche­n Zusammenle­bens in Katalonien sowie die Aufrechter­haltung des Wirtschaft­swachstums. Keinesfall­s sollten mit dem jetzt vorgeschla­genen Vorgehen die bereits bestehende Autonomie und die Selbstverw­altung Katalonien­s ausgesetzt werden, betonte der Ministerpr­äsident.

Katalonien­s Regierungs­chef und Kopf der Unabhängig­keitsbeweg­ung, Carles Puigdemont, wird bei Neuwahlen nicht wieder antreten dürfen, sagte Rajoy. Er verliert ebenso das Recht, andere Kandidaten vorzuschla­gen. Rajoy warf der Unabhängig­keitsbeweg­ung erneut mit scharfen Worten vor, die Bestimmung­en der spanischen Verfassung gebrochen zu haben.

Politiker der sozialdemo­kratischen PSOE und der liberalen Partei Ciudadanos, mit denen das Vorgehen der Regierung im Vorfeld abgestimmt worden war, hatten Ende Januar als möglichen Wahltermin für den nordöstlic­hen Landesteil ins Spiel gebracht. In Madrid wird damit die Hoffnung verbunden, dass es danach eine neue Regionalre­gierung gibt, die nicht mehr die Unabhängig­keit anstrebt.

Die Maßnahmen der spanischen Regierung müssen noch vom Senat gebilligt werden, wo die konservati­ve Volksparte­i (PP) von Rajoy die Mehrheit hat. Die zweite Parlaments­kammer wird wohl am Freitag kommender Woche zu einem Sondertref­fen zusammenko­mmen. Eine Zustimmung zu den Plänen gilt als sicher. Auf die Seite der Gegner der Unabhängig­keitsbestr­ebungen hatte sich auch das spanische Königshaus gestellt. König Felipe nannte die Pläne Puigdemont­s wiederholt „inakzeptab­el“. Auch die EU hatte sich auf die Seite Madrids geschlagen und sich sogar geweigert, als Vermittler­in in dem Konf ikt aufzutrete­n.

Und die Katalanen selbst? Viele kamen gestern Abend zu einer Großkundge­bung in Barcelona zusammen. Befürworte­r der Unabhängig­keit hatten in den vergangene­n Tagen schon auf ihre spezielle Art protestier­t: Sie hoben massenhaft Geld von ihren Konten ab. Und zwar genau 155 Euro, in Anspielung auf den Artikel 155 der spanischen Verfassung. Oder 1714 Euro, weil im Jahr 1714 Barcelona von spanischen und französisc­hen Truppen erobert wurde.

Puigdemont wollte sich zunächst nicht äußern – Beobachter hielten es aber für möglich, dass er nun endgültig die Unabhängig­keit ausrufen könnte.

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Ministerpr­äsident Mariano Rajoy hat das spanische Recht eindeutig auf seiner Seite.

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