… Hamburgs „Rothschild“geboren wurde
Unsere Stadt blickt auf mehr als 1000 Jahre mit Höhen und Tiefen zurück. Jeden Sonnabend erinnert die MOPO an Tage, die Geschichte machten.
Man nannte ihn den „Rothschild“Hamburgs. Denn auch er war Jude, war Banker und steinreich. Und ein guter Mensch war er außerdem: Salomon Heine, der Onkel des Dichters Heinrich Heine, gilt als größter Wohltäter in der Geschichte Hamburgs. Vor 250 Jahren erblickte er das Licht der Welt.
Salomon Heine wird im Oktober 1767 als Sohn eines Kaufmanns in Hannover geboren. Als er mit 17 Jahren nach Hamburg kommt, ist er mittellos. Es folgt die Geschichte eines Mannes, der es aus eigener Kraft und mit viel Klugheit vom Tellerwäscher zum Millionär schafft.
Der junge Mann absolviert eine Lehre im Bankhaus Popert in Hamburg, macht sich danach als Wechselmakler selbstständig. Später gründet er das Bankhaus Salomon Heine, das er anfangs noch gemeinsam mit seinen Partnern Emanuel Anton von Halle und Markus Abraham Heckscher betreibt. Heine ist bald der reichste und bekannteste Hamburger.
Er liebt Feste und gutes Essen und geht jeden Tag ins Theater
Und so kennen die Menschen ihn: Mit einer Blume im Knopfloch, einem weißen Zylinder und weißen Handschuhen fährt er meist mit der Kutsche durch die Stadt. Er liebt Feste und gutes Essen. Und er geht jeden (!) Tag ins Theater.
Womit genau Heine sein Vermögen macht, ist nicht überliefert, denn nur wenige Geschäftspapiere sind erhalten. Aber viel spricht dafür, dass er sich ab 1806 dem Schmuggel englischer Waren widmet. Im selben Jahr haben napoleonische Truppen Hamburg besetzt und eine Wirtschaftsblockade gegen England verhängt, die nicht nur die Briten, sondern auch die Einwohner der Stadt empfindlich trifft. Ohne Schmuggel wären damals wohl viele Hamburger verhungert.
Salomon Heine ist außerordentlich erfolgreich. Sein Vermögen wird auf umgerechnet 14 bis 40 Millionen Euro geschätzt. An der Elbchaussee, nahe der Rainvilleterrasse, baut er sich 1812 ein Sommerhaus mit einem eleganten Park, dessen Gartenhäuschen bis heute erhalten ist.
Sein Vermögen: Umgerechnet bis 40 Millionen Euro
Aber Heine verdient nicht nur viel, er tut mit seinem Reichtum auch Gutes: Nicht nur dass er an der Simon-von-Utrecht-Straße auf St. Pauli das Israelitische Krankenhaus erbaut (heute ist in dem Gebäude das Ortsamt), als wahrer Menschenfreund erweist er sich vor allem in der Stunde größter Not – als im Mai 1842 ein Drittel der Stadt in Flammen steht.
Um ein weiteres Überspringen der Flammen zu verhindern, muss eine Feuerschneise geschlagen werden – und der Jude, dem nicht einmal Bürgerrechte zuerkannt worden sind, zögert keinen Moment, lässt am Morgen des 6. Mai sein Bankhaus am Jungfernstieg sprengen. Am Tag darauf ist das Feuer unter Kontrolle.
Und Heine leistet noch mehr: Er pumpt eine halbe Million Mark aus seinem Privatvermögen in den Wiederaufbau der Stadt, und jedem in Not geratenen Kaufmann bietet er günstige Kredite an. Damit rettet Heine das Vertrauen des Welthandels in den Standort Hamburg. Den Zeitgenossen macht er Mut, ruft ihnen zu: „Nu, was ist denn verloren? Ist die Elbe abgebrannt? Es ist doch nichts verloren, solange wir die Elbe noch haben!“
Salomon Heine – damals ein europaweit geachteter Mann – ist in Vergessenheit geraten. Heute erinnern sich die meisten nur noch an seinen Neffen, den Dichter Heinrich Heine. Mit dessen Werk kann der Banker zeitlebens nichts anfangen. „Er nicht brauchte zu schreiben Bücher, wenn der dumme Junge was gelernt hätte“, so drückt sich der Onkel abfällig aus. Und dennoch unterstützt er ihn großzügig, zahlt ihm eine Jahresrente von 4800 Mark – das ist die Hälfte der kostspieligen Lebenshaltungskosten des Dichters.
Es ist eine Hassliebe, die Onkel und Neffe verbindet. Heinrich Heine nennt des Onkels Villa an der Elbchaussee „Affrontenburg“, weil er dort so oft bloßgestellt wird. Der Dichter macht sich lustig über das schlechte Deutsch des Onkels: Dieser, so scherzt er, benötige jeweils einen Diener für den Akkusativ und den Dativ.
Mit Heinrich Heine verbindet ihn eine Hassliebe
Dann wieder ist Heinrich Heine voll des Lobes: Sein Onkel sei ein bedeutender Mann, den er außerordentlich liebe. Und er entdeckt Gemeinsamkeiten: „Dieselbe störrische Keckheit, bodenlose Gefühlsweichheit und unberechenbare Verrücktheit – nur dass Fortuna ihn zum Millionär und mich zum Gegenteil, das heißt zum Dichter, gemacht hat.“
Als Salomon Heine am 23. Dezember 1844 stirbt, folgten seinem Sarg Hunderte Kutschen und Tausende Bürger zum jüdischen Friedhof Ottensen. Ein Zeichen, welch hohes Ansehen er unter den Einwohnern der Stadt genießt – unter Juden wie Nichtjuden.
Bücher: Susanne und Jan Peter Wiborg: Salomon Heine. Ellert & Richter, 14,90 Euro; Sylvia Steckmest: Salomon Heine. Bankier. Mäzen und Menschenfreund. Die Hanse, 28 Euro