So hart rechnet ein Werber mit seiner Branche ab
Nächste Runde im Plakat-Streit von Ottensen
Von MIRIAM KHAN und PASCAL SIGGELKOW
Es ist DAS heiße Thema im WerbeBusiness: die Plakate von Fernet Branca in Ottensen. Die Kampagne der Hamburger Agentur „Pilot“stichelt auf ironische Weise gegen die eigene Branche. Das gefiel einigen Werbern überhaupt nicht. In der Fachzeitung „Horizont“rechnet Hartwig Keuntje, einst bei Jung von Matt und jetzt Chef der Agentur Philipp und Keuntje, mit den Kollegen schonungslos ab.
„Die Wahrheit ist doch: Wir sind nun einmal keine Feuerwehrleute oder Krankenschwestern. Wir helfen Unternehmen, Produkte zu verkaufen, Punkt.“Entsprechend kann er die Entrüstung der Kollegen über die Fernet-Kampagne nicht verstehen. Man solle lieber über sich selber lachen, so der 56-Jährige. Am schlimmsten seien für ihn „diese pharisäerhaf- ten Weltverbesse- rungs-Goldideen, die in Wirklichkeit weniger die Welt verbessern als die Gehaltsaussichten der verantwortlichen Kreativen.“Um Ehrlichkeit gehe es da bestenfalls am Rande. Werbung würde immer auch Verführung bedeuten und Klappern gehöre dabei zum Handwerk.
Seinen Rundumschlag nutzt Keuntje, um Ideen zu präsentieren, wie die Branche ihren Ruf aufpolieren könnte. So fordert er einen Ethik-Kodex für kommerzielle Kommunikation. Werbung müsse überall deutlich als solche gekennzeichnet, der „Award-Irrsinn“, den er in seiner Branche ausgemacht hat, eingedämmt werden.
Und auch beim Thema Ausbildung müsse sich etwas ändern. Faire Arbeitszeiten und Gehaltsmodelle, spannende Perspektiven und Verantwortung sollen geboten werden.
Der Plakat-Streit geht derweil in die nächste Runde: Die Agentur Scholz & Friends, in unmittelbarer Nachbarschaft der provokanten Plakate, schlägt mit einem Facebook-Posting zurück. Dort ist zu sehen, wie neben dem FernetPlakat ein weiteres Bild hängt. „Alkohol ist keine Lösung“, steht darauf und eine EMail-Adresse, über die man sich für ein Praktikum bewerben kann.
Dazu fragt Scholz & Friends: „Und was würdest Du daneben hängen? Wir freuen uns auf Vorschläge.“Das Plakat ist allerdings nur ein Photoshop-Scherz – bisher! Man sei „im Gespräch, dass wir die Fläche neben dem Fernet Branca Plakat tatsächlich anmieten“, hieß es von Scholz & Friends.
Ähnlich kreativ zeigt man sich bei der Agentur Kolle Rebbe: Auch hier teilten die Werber einen Facebook-Beitrag in Anspielung auf Fernet Branca. „Früher gab es hier ehrliche Hafenarbeiter. Jetzt gibt es hier ... (bitte ausfüllen)“steht da. „Branca Shots“kommentierte das Social-MediaTeam von Fernet Branca. Prost!