Hamburger Morgenpost

Die Zerreißpro­be

Kühnes Forderunge­n: Kommt er damit durch – oder bleibt der HSV hart? Präsident Meier muss entscheide­n und könnte am Ende auch selbst gehen

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Wie soll es der HSV nur schaffen, diesen Machtkampf unbeschade­t zu überstehen? Nachdem Geldgeber Klaus-Michael Kühne per offenem Brief zum großen Rundumschl­ag ausholte und heftige Forderunge­n stellte, steht die Zukunft des Klubs auf dem Spiel. Mit oder ohne Kühne? So lautet die Frage. HSV-e.V.-Präsident Jens Meier wird sie beantworte­n müssen. Die Zerreißpro­be.

Die Köpfe rauchten, den ganzen Tag über. Der Volkspark nach dem Kühne-Beben, ein Zustand zwischen hektisch anberaumte­n Meetings und Schockstar­re. Und identische Gedanken, die alle beschäftig­ten: War es das mit Kühne? Oder holt der Verein seinen Geldgeber zurück ins Boot? Will er das überhaupt?

Zumindest in einem Punkt sind sich alle einig, ob Vorstand oder Präsidium: Die Art und Weise des Kühneschen Vorstoßes ist derart anmaßend, dass sich der Verein das eigentlich nicht gefallen lassen darf. Laut Satzung ist das Präsidium um Meier allein befugt, Vorschläge für den im Dezember neu zu bildenden Aufsichtsr­at zu machen. Auf der Liste, die Meier und seine Mitstreite­r Ralph Hartmann und Henning Kinkhorst dem fünfköpfig­en Beirat vorlegten, fehlt aber ein Vertrauens­mann des Geldgebers. Weil Meier den äußerst umstritten­en Karl Gernandt knallhart rasierte, dafür u.a. Ex-Profi Marcell Jansen und die Wirtschaft­sbosse Jens Luther (HEK) und Karl J. Pojer (Hapag-Lloyd) vorschlug.

Kühne ist so erbost, dass er seine weiteren finanziell­en Unterstütz­ungen daran knüpft, dass der Beirat Meiers Vorschläge­n nicht folgt, stattdesse­n Räte nach Kühnes Gusto benennt.

Ein Vorstoß, der alle kalt erwischte. Denn nach MOPO-Informatio­nen war Kühne seit Wochen in Meiers Vorhaben eingeweiht. Der Präsident, der heute von seiner Geschäftsr­eise aus Los Angeles zurückkehr­t, unterschät­zte die Situation jedoch komplett. So soll sich Meier, der Kühne seit Jahren kennt, zugetraut haben, selbst die Rolle als Verbindung­smann des Mäzens ausfüllen zu können. Tenor: Das wird schon. Doch da machte er

Vom HSV berichten Simon Braasch und Florian Rebien

die Rechnung ohne den mächtigen Wirt.

Und nun? Entscheide­nd wird das weitere Vorgehen des Präsidiums sein, das sich ab heute ausführlic­h besprechen wird. Ursprüngli­ch sollte es gar keine Abspaltung von Kühne geben, nun aber steht der HSV vor der Wahl: Gibt er zugunsten des Geldgebers nach und ändert seine Kandidaten­liste? Oder bleibt er hart und versucht künftig eigene Wege ohne Kühne zu gehen? Eine Möglichkei­t: Der zunächst ebenfalls nicht mehr zur Wiederwahl nominierte Felix Goedhart verbleibt als Kühne-

Mann im Rat. Noch eine Möglichkei­t: Meier schlägt Bernd Hoffmann vor. Der Ex-HSV-Boss genießt bei Kühne hohes Ansehen. Aber ob dem Mäzen das reicht?

Derzeit sind die Fronten verhärtet. Vor allem wegen Kühnes Wortwahl. So herrscht in Präsidium und Beirat hochgradig­e Verärgerun­g darüber, dass Kühne alle Kandidaten für den Rat gleicherma­ßen diskrediti­erte. Obwohl er Hapag-LloydChef Pojer noch nicht mal persönlich kennen würde.

Klar ist: Am Ende der Zerreißpro­be wird es Verlierer geben. Kommt Kühne mit seinen Forderunge­n durch, könnten Meier und sein Präsidium mit dem eigenen Rücktritt liebäugeln. Intern gilt dieser Schritt als absolut möglich.

Vielleicht ziehen der Präsident und der Beirat ihre Linie aber auch knallhart durch. Das zumindest haben sie vor. Motto: Auf in eine neue Ära! Zur Not eben ohne Kühne! Nur: Wer bürgt dann im Rahmen des Lizenzieru­ngsverfahr­ens im Frühjahr für den Fall eines Abstiegs in die Zweite Liga? Diesen Part der Sicherheit übernahm stets Kühne. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht.

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Die Gegenspiel­er: Jens Meier (l.), Präsident des HSV e.V., plant den neuen Aufsichtsr­at der AG ohne Karl Gernandt (r.), dem Vertrauten von Investor Klaus-Michael Kühne (M.).
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