Scholz auf dem G20-Grill
Vier Monate nach den Krawallen räumt er vor Sonderausschuss ein: „Wenn es Tote gegeben hätte, wäre ich zurückgetreten“
Entschuldigt hatte sich Olaf Scholz zwar für die Ausschreitungen beim G20-Gipfel. Doch bis heute hat er keine eigenen Fehler eingeräumt. Dafür wollte die Opposition ihn gestern vor dem G20-Sonderausschuss im Rathaus grillen. Scholz blieb streng bei seiner Argumentations-Linie, die er seit dem Gipfel hält. Es gelang der Opposition trotz vierstündigem Verhör nicht, ihn zu knacken.
Betont locker und positiv gab sich der Bürgermeister, als er im dunklen Anzug durchs Blitzlichtgewitter schritt und alle Abgeordneten per Handschlag begrüßte. Schulter an Schulter stand er mit Innensenator Andy Grote unter den großen Kronleuchtern des Festsaals des Rathauses.
Von seiner Linie rückte Scholz kein Stück ab. So verlas er Auszüge aus seiner Regierungserklärung vom Juli. Entschuldigte sich erneut bei den Hamburgern, betonte aber wieder, dass es richtig war, den Gipfel in Hamburg zu machen. Auf die Frage, ob er die Möglichkeit gehabt hätte, Angela Merkel einen Korb zu geben, antwortete er entschieden: „Da das eine Frage von der Bundeskanzlerin war, hätte ich auch Nein sagen können. Das habe er nicht gewollt.
„Sinnlose Zerstörungen wie in der Elbchaussee und in der Schanzenstraße hatten die Sicherheitsbehörden nicht für wahrscheinlich gehalten“, so der Bürgermeister. Denn auch wenn man sich nie so richtig in die Köpfe der linksextremen Gruppen hineindenken könne, koste eine solche Zerstörung doch die Sympathie der Bevölkerung.
Vom AfD-Abgeordneten Dirk Nockemann gab es erst einmal ein Dankeschön an Scholz, dass er sich schützend vor die Polizei gestellt und betont habe, dass es keine Polizeigewalt gegeben habe. Dafür gab es Lacher aus dem Publikum. Dann wollte er wissen, ob Scholz nicht voreilig eine Sicherheits-Garantie gegeben habe. Scholz konterte: „Ich habe die Lage der Bevölkerung für sicher erachtet. Das habe ich aus innerer Überzeugung gesagt, nicht leichtfertig.“
CDU-Chef André Trepoll nutzte seinen Auftritt, ging aufs Ganze, attackierte den Bürgermeister immer wieder. „Sie müssen jetzt nur noch nach vorn gucken, wenn ich Sie etwas frage“, sagte er, weil Scholz kurz zu Innensenator Andy Grote gesehen hatte. Dann polterte Trepoll laut los: „Ich bin fassungslos, wie Sie hier auftreten. Sie beschäftigen sich mehr mit der SPD-Bundespolitik als mit Hamburg.“
Trepoll schmetterte Scholz eine lange Liste an Fragen entgegen und stellte dessen Glaubwürdigkeit infrage: „Haben Sie vorsätzlich falsche Erwartungen geweckt oder haben Sie es nicht besser gekonnt?“Scholz konterte trocken: „Schönen Dank für die Fragen und Ihre Einschätzungen.“Man habe das Wissen vieler kompetenter Menschen gehabt. Dass das nicht ausgereicht habe, empfinde er „als äußerst bedrückend“.
Auf die Frage nach mögli-
chen Toten wie in Genua antwortete Scholz klar: „Wenn jemand gestorben wäre, dann hätte ich nicht im Amt bleiben können. Die Konsequenz hätte ich gezogen, auch wenn ich persönlich keinen Fehler gemacht habe.“
Der Schutz der internationalen Gäste hat oberste Priorität – diesen Satz in einem Polizeipapier hielt die Opposition Scholz vor. Er wies die Lesart zurück, dass damit automatisch der Schutz der Bevölkerung nachrangig sei und deshalb in der Schanze stundenlang nicht eingegriffen wurde, weil keine Kräfte von der Elphi abgezogen wurden. „Der Schutz der Bevölkerung, der Gäste, der Demonstrationsfreiheit und der Veranstaltungen war gleichrangig“, betonte der Bürgermeister. Die Polizeiführung stärkte ihm dazu gestern im Ausschuss den Rücken.
André Trepoll wollte dann noch wissen, ob der Bürgermeister mit dem G20-Gipfel die Bekanntheit der Stadt erhöhen wollte. Scholz, der da schon souverän zwei Stunden lang Fragen beantwortet hatte, ohne erschöpft zu wirken, gab gelassen zurück, dass das nicht der Grund für den Gipfel war. „Aber die Erhöhung der Bekanntheit der Stadt ist ein Ziel, das ich immer verfolge.“
Da der Ausschuss vereinbart hatte, sich auf dieser Sitzung nur mit Fragen rund um die Vorbereitung des Gipfels zu beschäftigen, musste Scholz sich noch nicht zu brennenden Autos auf der Elbchaussee und Ausschreitungen in der Schanze äußern. Der Opposition gelang es vielleicht auch deshalb absolut nicht, den Bürgermeister am gestrigen Abend zu knacken.
Die Sympathiewerte des Bürgermeisters waren nach dem Gipfel ins Bodenlose gefallen. Besonders übelgenommen wurde ihm, dass er Sicherheits-Versprechen gab und nicht halten konnte, und auch den flapsigen Vergleich des Gipfels mit dem Hafengeburtstag wird er nicht los. Gestern räumte er ein, dass die Verkehrsbeschränkungen weit über die bei einem Hafengeburtstag üblichen hinausgegangen seien.