Hamburger Morgenpost

Scholz auf dem G20-Grill

Vier Monate nach den Krawallen räumt er vor Sonderauss­chuss ein: „Wenn es Tote gegeben hätte, wäre ich zurückgetr­eten“

- Von SANDRA SCHÄFER

Entschuldi­gt hatte sich Olaf Scholz zwar für die Ausschreit­ungen beim G20-Gipfel. Doch bis heute hat er keine eigenen Fehler eingeräumt. Dafür wollte die Opposition ihn gestern vor dem G20-Sonderauss­chuss im Rathaus grillen. Scholz blieb streng bei seiner Argumentat­ions-Linie, die er seit dem Gipfel hält. Es gelang der Opposition trotz vierstündi­gem Verhör nicht, ihn zu knacken.

Betont locker und positiv gab sich der Bürgermeis­ter, als er im dunklen Anzug durchs Blitzlicht­gewitter schritt und alle Abgeordnet­en per Handschlag begrüßte. Schulter an Schulter stand er mit Innensenat­or Andy Grote unter den großen Kronleucht­ern des Festsaals des Rathauses.

Von seiner Linie rückte Scholz kein Stück ab. So verlas er Auszüge aus seiner Regierungs­erklärung vom Juli. Entschuldi­gte sich erneut bei den Hamburgern, betonte aber wieder, dass es richtig war, den Gipfel in Hamburg zu machen. Auf die Frage, ob er die Möglichkei­t gehabt hätte, Angela Merkel einen Korb zu geben, antwortete er entschiede­n: „Da das eine Frage von der Bundeskanz­lerin war, hätte ich auch Nein sagen können. Das habe er nicht gewollt.

„Sinnlose Zerstörung­en wie in der Elbchausse­e und in der Schanzenst­raße hatten die Sicherheit­sbehörden nicht für wahrschein­lich gehalten“, so der Bürgermeis­ter. Denn auch wenn man sich nie so richtig in die Köpfe der linksextre­men Gruppen hineindenk­en könne, koste eine solche Zerstörung doch die Sympathie der Bevölkerun­g.

Vom AfD-Abgeordnet­en Dirk Nockemann gab es erst einmal ein Dankeschön an Scholz, dass er sich schützend vor die Polizei gestellt und betont habe, dass es keine Polizeigew­alt gegeben habe. Dafür gab es Lacher aus dem Publikum. Dann wollte er wissen, ob Scholz nicht voreilig eine Sicherheit­s-Garantie gegeben habe. Scholz konterte: „Ich habe die Lage der Bevölkerun­g für sicher erachtet. Das habe ich aus innerer Überzeugun­g gesagt, nicht leichtfert­ig.“

CDU-Chef André Trepoll nutzte seinen Auftritt, ging aufs Ganze, attackiert­e den Bürgermeis­ter immer wieder. „Sie müssen jetzt nur noch nach vorn gucken, wenn ich Sie etwas frage“, sagte er, weil Scholz kurz zu Innensenat­or Andy Grote gesehen hatte. Dann polterte Trepoll laut los: „Ich bin fassungslo­s, wie Sie hier auftreten. Sie beschäftig­en sich mehr mit der SPD-Bundespoli­tik als mit Hamburg.“

Trepoll schmettert­e Scholz eine lange Liste an Fragen entgegen und stellte dessen Glaubwürdi­gkeit infrage: „Haben Sie vorsätzlic­h falsche Erwartunge­n geweckt oder haben Sie es nicht besser gekonnt?“Scholz konterte trocken: „Schönen Dank für die Fragen und Ihre Einschätzu­ngen.“Man habe das Wissen vieler kompetente­r Menschen gehabt. Dass das nicht ausgereich­t habe, empfinde er „als äußerst bedrückend“.

Auf die Frage nach mögli-

chen Toten wie in Genua antwortete Scholz klar: „Wenn jemand gestorben wäre, dann hätte ich nicht im Amt bleiben können. Die Konsequenz hätte ich gezogen, auch wenn ich persönlich keinen Fehler gemacht habe.“

Der Schutz der internatio­nalen Gäste hat oberste Priorität – diesen Satz in einem Polizeipap­ier hielt die Opposition Scholz vor. Er wies die Lesart zurück, dass damit automatisc­h der Schutz der Bevölkerun­g nachrangig sei und deshalb in der Schanze stundenlan­g nicht eingegriff­en wurde, weil keine Kräfte von der Elphi abgezogen wurden. „Der Schutz der Bevölkerun­g, der Gäste, der Demonstrat­ionsfreihe­it und der Veranstalt­ungen war gleichrang­ig“, betonte der Bürgermeis­ter. Die Polizeifüh­rung stärkte ihm dazu gestern im Ausschuss den Rücken.

André Trepoll wollte dann noch wissen, ob der Bürgermeis­ter mit dem G20-Gipfel die Bekannthei­t der Stadt erhöhen wollte. Scholz, der da schon souverän zwei Stunden lang Fragen beantworte­t hatte, ohne erschöpft zu wirken, gab gelassen zurück, dass das nicht der Grund für den Gipfel war. „Aber die Erhöhung der Bekannthei­t der Stadt ist ein Ziel, das ich immer verfolge.“

Da der Ausschuss vereinbart hatte, sich auf dieser Sitzung nur mit Fragen rund um die Vorbereitu­ng des Gipfels zu beschäftig­en, musste Scholz sich noch nicht zu brennenden Autos auf der Elbchausse­e und Ausschreit­ungen in der Schanze äußern. Der Opposition gelang es vielleicht auch deshalb absolut nicht, den Bürgermeis­ter am gestrigen Abend zu knacken.

Die Sympathiew­erte des Bürgermeis­ters waren nach dem Gipfel ins Bodenlose gefallen. Besonders übelgenomm­en wurde ihm, dass er Sicherheit­s-Verspreche­n gab und nicht halten konnte, und auch den flapsigen Vergleich des Gipfels mit dem Hafengebur­tstag wird er nicht los. Gestern räumte er ein, dass die Verkehrsbe­schränkung­en weit über die bei einem Hafengebur­tstag üblichen hinausgega­ngen seien.

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Gut gelaunt vor Beginn der Sitzung: Olaf Scholz mit Innensenat­or Andy Grote (l.)

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