Hamburger Morgenpost

Alle lieben Hamburg

Die Welt feiert unsere Stadt, immer mehr Touristen Kommen: Warum das so ist, wer davon profitiert - und wovor Kritiker warnen:

- Von KRISTIAN MEYER

Alle lieben Hamburg: Die Touristen-Zahlen steigen und steigen Jahr f r Jahr. Ob „New York Times“, „Lonely Planet“oder „Guardian“– die internatio­nale Presse überschläg­t sich vor Begeisteru­ng, preist Hamburg als eines der besten Reiseziele weltweit. Eine Studie hat Hamburg gerade als „gastfreund­lichste Stadt Deutschlan­ds“gelistet. Eine tolle Sache, so gefeiert zu werden. Aber irgendwie auch unheimlich, schließlic­h geht es hier um unser gutes altes Hamburg. Und der Touri-Boom hat seine Schattense­iten.

Mit Klischees ist es ja so: Man sollte es damit nicht übertreibe­n, aber einen Kern Wahrheit enthalten sie am Ende oft. Und als was gelten die Hamburger seit Zeiten der Hanse? Erstens als weltoffen. Und zweitens als geschäftst­üchtig. Da ist es nur konsequent, dass die Politik ein großes Augenmerk auf die Entwicklun­g des Tourismus legt. Am eindrückli­chsten symbolisie­rt durch das nicht ganz so günstige neue Wahrzeiche­n – die Touristen-Kathedrale Elbphilhar­monie.

Und schaut man sich die Zahlen an, dann wird schnell klar: Die Investitio­nen dürften sich mittelfris­tig rechnen. Allein im ersten Halbjahr gab es 6,49 Millionen Übernachtu­ngen – ein satter Zuwachs von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Ereignisse rund um den G20Gipfel haben – anders als von manchen erwartet – keinen Einbruch gebracht.

Damit wird die Hansestadt auch 2017 wieder mehr Touristen beherberge­n als im Vorjahr – zum 16. Mal in Folge. Anteil daran haben natürlich wie immer die üblichen Ziele: Miniatur-Wunderland, die Reeperbahn und St. Pauli, allein der Kreuzfahrt-Tourismus brachte im letzten Jahr 700000 Menschen nach Hamburg. Etwa 90 Millionen Tagesgäste werden insgesamt erwartet. Michael Otremba, Geschäftsf­ührer von „Hamburg Tourismus“, führt die Zuwächse in diesem

Jahr vor allem auf die Elphi zurück: „Es zeigt sich, dass die Elbphilhar­monie insbesonde­re im Ausland Türen öffnet und Hamburg auf die Karte setzt“– frei nach einem Zitat von Rüpelrappe­r Gzuz und den Beginnern.

Die Frage aber ist: Wo ist das Ende der Fahnenstan­ge? Experten erwarten bis 2025 bernachtun­gs-Zahlen von 20 bis 25 Millionen. Und schon jetzt platzt die Stadt ja aus allen Nähten. Tagtäglich

kann man das beobachten: am Hauptbahnh­of, beim Straßenver­kehr, am Hafen, in der U3. Gerade in überlaufen­en Stadtteile­n wie St. Pauli oder St. Georg sind die Menschen mehr und mehr genervt. Und dann „besetzen“Tou-

risten naturgemäß die schönsten Plätze einer Stadt – und verdrängen schleichen­d die Einheimisc­hen.

Macht Hamburg gerade den gleichen Fehler, den Städte wie Barcelona oder New York vorgemacht haben? Deren Bewohner

haben die Faxen dicke. In der katalanisc­hen Touri-Metropole hängen Einheimisc­he schon beschriebe­ne Bettlaken vom Balkon: „Tourist go home!“Und in der Stadt an Amerikas Ostküste gibt es mittlerwei­le T-Shirts zu kaufen mit der Aufschrift „Go and love Your own City!“(statt „I♥NY“).

Experten sehen die Entwicklun­g sehr zwiespälti­g: „Tourismus ist ohne Frage ein wichtiger Wirtschaft­szweig für die Stadt Hamburg“, sagt Professor Sebastian Zenker von der Copenhagen Business School. Aber: „Eine Stadt ist ein empfindlic­hes Ökosystem, das in einer gewissen Balance lebt.“Füge man an bestimmten Stellen zu viele Menschen hinzu, dann „kippe“das System, nicht anders als in der Natur: „Wir würden ja auch nicht erlauben, dass im Yellowston­eNationalp­ark auf einmal Millionen Touristen gleichzeit­ig herumlaufe­n.“

Dabei darf man aber nicht vergessen: Am Fremdenver­kehr hängen mittlerwei­le gut 100 000 Jobs. Hamburger Hotels, Gaststätte­n, Clubs, Kultur, Einzelhand­el – alle profitiere­n von den Gästen. „Hamburg Tourismus“beziffert den jährlichen BruttoUmsa­tz mit Reisegäste­n auf stolze 6,02 Milliarden Euro.

Was könnte also helfen? Was ist ein gangbarer Weg, der alle Interessen im Blick hat? Denn immerhin 58 Prozent der MOPOLeser gaben bei einer Umfrage an: Ja, ich habe mich schon mal von Touristen gestört gefühlt, immerhin 45 Prozent sehen die steigenden Besucherza­hlen kritisch, weitere Werbung um Touristen lehnt die Hälfte ab. Jochen Menzel vom Zukunftsra­t Hamburg (s. Interview nächste Seite) fordert ein Nachhaltig­keitskonze­pt für die Stadt. Ein Mittel zur Entspannun­g: „Die Stadtteile außerhalb der inneren Innenstadt müssen künftig besser eingebunde­n werden.“Mit der Verlegung der „Harley Days“nach Hammerbroo­k sei ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Tourismus ja, aber der Senat muss Konzepte erarbeiten, die die Besucher-Ströme erträglich machen. Nicht dass die weltoffene­n Hamburger am Ende noch touristenf­eindliche Banner raushängen müssen.

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Früher gemieden, heute zur überrannt: Der Kiez hat sich beliebten Touristen-Attr aktion gemausert. Touristen lieben Hamburg – aber tut der Besucher-Boom der Stadt wirklich gut?
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Hamburg feuert den Tourismus-Boom mit diversen Events und Marketing-Aktionen sehr erfolgreic­h an – etwa mit den „Cruise Days“, die mehr Kreuzfahre­r anlocken sollen. Die Schattense­ite: Umweltvers­chmutzung.

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