Alle lieben Hamburg
Die Welt feiert unsere Stadt, immer mehr Touristen Kommen: Warum das so ist, wer davon profitiert - und wovor Kritiker warnen:
Alle lieben Hamburg: Die Touristen-Zahlen steigen und steigen Jahr f r Jahr. Ob „New York Times“, „Lonely Planet“oder „Guardian“– die internationale Presse überschlägt sich vor Begeisterung, preist Hamburg als eines der besten Reiseziele weltweit. Eine Studie hat Hamburg gerade als „gastfreundlichste Stadt Deutschlands“gelistet. Eine tolle Sache, so gefeiert zu werden. Aber irgendwie auch unheimlich, schließlich geht es hier um unser gutes altes Hamburg. Und der Touri-Boom hat seine Schattenseiten.
Mit Klischees ist es ja so: Man sollte es damit nicht übertreiben, aber einen Kern Wahrheit enthalten sie am Ende oft. Und als was gelten die Hamburger seit Zeiten der Hanse? Erstens als weltoffen. Und zweitens als geschäftstüchtig. Da ist es nur konsequent, dass die Politik ein großes Augenmerk auf die Entwicklung des Tourismus legt. Am eindrücklichsten symbolisiert durch das nicht ganz so günstige neue Wahrzeichen – die Touristen-Kathedrale Elbphilharmonie.
Und schaut man sich die Zahlen an, dann wird schnell klar: Die Investitionen dürften sich mittelfristig rechnen. Allein im ersten Halbjahr gab es 6,49 Millionen Übernachtungen – ein satter Zuwachs von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch die Ereignisse rund um den G20Gipfel haben – anders als von manchen erwartet – keinen Einbruch gebracht.
Damit wird die Hansestadt auch 2017 wieder mehr Touristen beherbergen als im Vorjahr – zum 16. Mal in Folge. Anteil daran haben natürlich wie immer die üblichen Ziele: Miniatur-Wunderland, die Reeperbahn und St. Pauli, allein der Kreuzfahrt-Tourismus brachte im letzten Jahr 700000 Menschen nach Hamburg. Etwa 90 Millionen Tagesgäste werden insgesamt erwartet. Michael Otremba, Geschäftsführer von „Hamburg Tourismus“, führt die Zuwächse in diesem
Jahr vor allem auf die Elphi zurück: „Es zeigt sich, dass die Elbphilharmonie insbesondere im Ausland Türen öffnet und Hamburg auf die Karte setzt“– frei nach einem Zitat von Rüpelrapper Gzuz und den Beginnern.
Die Frage aber ist: Wo ist das Ende der Fahnenstange? Experten erwarten bis 2025 bernachtungs-Zahlen von 20 bis 25 Millionen. Und schon jetzt platzt die Stadt ja aus allen Nähten. Tagtäglich
kann man das beobachten: am Hauptbahnhof, beim Straßenverkehr, am Hafen, in der U3. Gerade in überlaufenen Stadtteilen wie St. Pauli oder St. Georg sind die Menschen mehr und mehr genervt. Und dann „besetzen“Tou-
risten naturgemäß die schönsten Plätze einer Stadt – und verdrängen schleichend die Einheimischen.
Macht Hamburg gerade den gleichen Fehler, den Städte wie Barcelona oder New York vorgemacht haben? Deren Bewohner
haben die Faxen dicke. In der katalanischen Touri-Metropole hängen Einheimische schon beschriebene Bettlaken vom Balkon: „Tourist go home!“Und in der Stadt an Amerikas Ostküste gibt es mittlerweile T-Shirts zu kaufen mit der Aufschrift „Go and love Your own City!“(statt „I♥NY“).
Experten sehen die Entwicklung sehr zwiespältig: „Tourismus ist ohne Frage ein wichtiger Wirtschaftszweig für die Stadt Hamburg“, sagt Professor Sebastian Zenker von der Copenhagen Business School. Aber: „Eine Stadt ist ein empfindliches Ökosystem, das in einer gewissen Balance lebt.“Füge man an bestimmten Stellen zu viele Menschen hinzu, dann „kippe“das System, nicht anders als in der Natur: „Wir würden ja auch nicht erlauben, dass im YellowstoneNationalpark auf einmal Millionen Touristen gleichzeitig herumlaufen.“
Dabei darf man aber nicht vergessen: Am Fremdenverkehr hängen mittlerweile gut 100 000 Jobs. Hamburger Hotels, Gaststätten, Clubs, Kultur, Einzelhandel – alle profitieren von den Gästen. „Hamburg Tourismus“beziffert den jährlichen BruttoUmsatz mit Reisegästen auf stolze 6,02 Milliarden Euro.
Was könnte also helfen? Was ist ein gangbarer Weg, der alle Interessen im Blick hat? Denn immerhin 58 Prozent der MOPOLeser gaben bei einer Umfrage an: Ja, ich habe mich schon mal von Touristen gestört gefühlt, immerhin 45 Prozent sehen die steigenden Besucherzahlen kritisch, weitere Werbung um Touristen lehnt die Hälfte ab. Jochen Menzel vom Zukunftsrat Hamburg (s. Interview nächste Seite) fordert ein Nachhaltigkeitskonzept für die Stadt. Ein Mittel zur Entspannung: „Die Stadtteile außerhalb der inneren Innenstadt müssen künftig besser eingebunden werden.“Mit der Verlegung der „Harley Days“nach Hammerbrook sei ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht.
Tourismus ja, aber der Senat muss Konzepte erarbeiten, die die Besucher-Ströme erträglich machen. Nicht dass die weltoffenen Hamburger am Ende noch touristenfeindliche Banner raushängen müssen.