Zieht der Krieg nun in den Libanon?
Rätsel um Premier Hariri. Libanesen sicher, dass die Saudis ihn festhalten Druck von USA, Russland und Frankreich: Der Politiker soll schnell zurückkehren
Beirut – Gesucht wird: der Ministerpräsident! Nach der seltsamen Flucht des Libanesen Saad Hariri nach Saudi-Arabien fürchtet die Welt um die Stabilität im Land: In seltener Einigkeit machen Russen, Amerikaner und Franzosen Druck auf Hariri, nach Beirut zurückzukehren. Doch dort ist man sich sicher: Der Politiker steht bei den Saudis unter Arrest. Selbst seine Gegner fordern: Gebt uns unseren Premier zurück!
Wo ist Hariri? Vor einer Woche verließ Libanons Regierungschef zwischen zwei Terminen überhastet seine Heimat – nur zwei Bodyguards kamen mit nach Saudi-Arabien. Von dort aus trat er von seinem Amt zurück und beschuldigte seinen bisherigen Koalitionspartner, die schiitische Hisbollah, und deren Förderer im Iran, seinen Tod zu planen. Seither gibt es Zweifel, wo Hariri sich aufhält und ob er sich frei bewegen kann – die meisten Libanesen gehen davon aus, dass er in Riad unter Hausarrest steht. Libanons Präsident Michel Aoun genau wie Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah forderten seine Rückkehr. Nasrallah: „Saad Hariri ist unser Gegner, aber er ist auch unser Premierminister.“Selbst seine eigenen Anhänger wie Hariris Vorgänger und Parteifreund Fuad Siniora bezweifeln, dass Hariri frei reisen kann.
Welche Rolle spielen die Saudis? Ob die Kämpfe in Syrien, die Krise um Katar oder der grausame Krieg im Jemen – um Verbündete des Irans zu schwächen, ist den Saudis jedes Mittel recht. Und nun haben sie den mächtigsten Iran-Partner überhaupt im Visier: die Hisbollah. Für Libanons Präsidenten Michel Aoun ist nach Hariris Flucht die Sache daher auch klar: Es ist eine „brutale, ganz offene Einmischung der Saudis in unsere inneren Angelegenheiten“. Und die Saudis eskalieren die Lage weiter: Libanons Regierung habe ihnen den Krieg erklärt, hieß es in Riad. Der Beweis seien Angriffe der Hisbollah – doch für die gibt es keine Beweise. Riad hat mittlerweile seine Bürger aufgefordert, den Libanon zu verlassen – Kriegstrommeln im Wüstenreich.
Welche Rolle spielen die USA? Im Verbund mit Israel und den Saudis hat Donald Trump im Nahen Osten vor allem einen Bösewicht ausgemacht: den Iran. Dabei hat der politisch ebenso unerfahrene wie trampelige Trump den Saudis offenbar freie Hand gewährt – die Folge sind immer neue Machtproben des Königshauses.
Wer herrscht eigentlich im Libanon? Nach vielen Krisen und Kriegen ist der kleine Staat heute eins der ruhigsten Länder im Nahen Osten. Doch das politische Konstrukt dahinter ist äu-
ßerst fragil: Religionsgruppen und Bevölkerungsteile haben Absprachen über die Machtverteilung. Und so regierte der irankritische Hariri bisher unter dem iranfreundlichen Präsidenten Michel Aoun und in einer Koalition mit der schiitischen Hisbollah – die ist halb hochgerüstete Miliz, halb politische Partei und hat durch ihre Hilfe für Syriens Assad-Regime die Macht deutlich ausgebaut. Für Israel und die Saudis ist die Hisbollah ein derart brisanter Feind, dass man nun auch bereit ist, den wackligen Frieden im Libanon zu opfern. Kehrt Hariri nicht bald zurück, droht dem Land ein neuer Bürgerkrieg.