Löw drückt auf
Schnelligkeit wird zum Lieblingsthema des Bundestrainers. Kroos und Khedira gegen Frankreich wieder in der Startelf
Er ist Weltmeister, er ist seit 20 Spielen ungeschlagen. Joachim Löw könnte mit einem breiten Grinsen durch das Hyatt-Hotel am Kölner Rheinufer spazieren, der Bundestrainer aber wirkt angestrengt, bisweilen unzufrieden. Denn es läuft nicht so, wie er sich das vorstellt. Besser gesagt, es läuft nicht so schnell.
Löw drückt aufs Tempo. Zehn Minuten hatte die gestrige Pressekonferenz gedauert, da kam er wieder darauf zu sprechen, auf sein Lieblingsthema. „Wir müssen aufmerksam und konzentriert sein“, sagte Löw, „und wir müssen ein hohes Tempo ins Spiel bringen.“Beim DFB vergeht keine Trainingseinheit, in dem er das seinen Spielern nicht einbläut. Schneller spielen, schneller spielen. Spritzigkeit kennt keine Grenzen.
Das 0:0 gegen England hatte dem Bundestrainer körperliche Schmerzen bereitet, weil seine Spieler nur in den ersten 30 Minuten den Ball schnell zirkulieren ließen. „Danach haben wir es versäumt, nach Ballgewinnen schneller umzuschalten. Es ist wichtig, dass wir das in Richtung WM wieder einschleifen“, hatte er gesagt und war schließlich lauter geworden. „Wir verpassen es, schnell zu spielen. Tschechien, Norwegen, Nordirland – das ist nicht unser Maßstab.“
Frankreich ist der Maßstab. Gerade in Sachen Schnelligkeit. Antoine Griezmann, Kylian Mbappé, Kingsley Coman, sie gehören zu den schnellsten Kickern der Welt, Toni Kroos und Sami Khedira nicht. Die Hauptaufgabe der deutschen Regisseure, die erstmals seit einem 4:1 in Aserbaidschan im März wieder gemeinsam die Fäden ziehen, soll es aber auch nicht sein, Laufduelle zu bestreiten, sie sollen ihre Vorderleute einsetzen – und zwar schneller als Mesut Özil und Ilkay Gündogan das in Wembley taten. Viel schneller.
Schnell spielen. Schnell denken. Pass-Gigant Kroos, der in Köln übrigens seinen Zweitwohnsitz hat, ist in dieser Hinsicht bei Real Madrid gereift. Auf dem Platz – und daneben. „Wir haben 30 bis 40 Spieler, die problemlos zur WM fahren können“, sagte er. „Früher war das ja anders. Da hat man dann auch mal drei dazugeholt, bei denen klar war, dass du die eigentlich gar nicht brauchst.“Für den Bundestrainer sei die jetzige Situation doch der Idealfall.
Löw weiß um diesen Luxus und nutzt ihn aus. Drei, vier, fünf Veränderungen könne es gegen die Franzosen, die ohne die verletzten Paul Pogba, Ousmane Dembelé und Olivier Giroud angereist sind, geben. „Beide Mannschaft werden testen“, unterstrich der Bundestrainer den Charakter des Spiels. „Auch Frankreich wird nicht alle Karten auf den Tisch legen.“
Der Test wird zum Pokerspiel. „Fehler sind erlaubt“, sagte Löw. Nur eines wird er nur schwer verzeihen können: fehlendes Tempo.