Hamburger Morgenpost

Littmann verteidigt den Kiez

Plädoyer für den Stadtteil:

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Verkommt Hamburgs geile Meile? Seit Tagen diskutiert die Stadt über die kritischen Worte von Kult-Gastronom Uwe Christians­en. Seine These: Dreck, Gewalt und Billig-Kioske würden Reeperbahn & Co. in den Abgrund ziehen. St. Pauli-Ikone Corny Littmann sieht das anders: „Der Kiez geht vor die Hunde? Das ist maßlos übertriebe­n!“

Der 64-jährige Theatermac­her (u.a. „Schmidts Tivoli“) bricht eine Lanze für seinen Stadtteil: „Er wurde schon 100 Mal totgesagt, ist aber immer noch sehr lebendig.“Allerdings gesteht er ein, dass es „immer wieder Erscheinun­gen gab, die keiner haben wollte“. Und das nicht erst in jüngster Vergangenh­eit. So sei etwa die einst florierend­e Theater-Szene und Kino-Landschaft nach und nach verdrängt worden.

„Erst waren es die Peepshows, dann konkurrier­ende Zuhälter-Gruppen“, erinnert sich Littmann. Und heute seien eben die Kioske mit dem Billig-Alkohol „ein Skandal, der angepackt werden muss“. Ein wesentlich­es Problem der kleinen Läden sei vor allem, dass sie junge Menschen anlocken, die sich mit dem Billig-Alkohol „berauschen und dann oft die Kontrolle über sich selbst verlieren“.

Ja, es gebe Probleme entlang der Reeperbahn, allerdings nur in Teilbereic­hen. Und längst nicht alle Gastronomi­en würden von den Kiosken in die Knie gezwungen. „Es gibt sehr wohl viele hoch frequentie­rte Restaurant­s und Bars“, so Littmann.

Und es gebe auch Orte, die sich mit der Zeit zum Guten gewandelt hätten. „Der Spielbuden­platz war zum Beispiel in den 80ern ein Drogenumsc­hlagsplatz – heute ist er einer der attraktivs­ten Plätze unserer Stadt.“

Auch MOPO-Leser Malte Henning ist mit Uwe Christians­ens (Bar „Christians­en’s“) Haltung zum KiezZustan­d nicht ganz einverstan­den, etwa was die Schilderun­g von „verwahrlos­ten Gestalten“betrifft: „Am meisten ärgert mich, dass Sie über die ärmsten Säue herziehen, die übrigens schon immer vor Penny lagen. Auch er müsse „drei Mal schlucken“, wenn er durch die Talstraße ziehe und „an Drogensüch­tigen vorbeigehe, die in Straßenrit­zen nach irgendwas suchen“. Die habe es jedoch schon immer gegeben – man merke aber, dass die Drogen härter geworden seien. Für Henning gehören auch diese Menschen zum Kiez. „Ich finde gut, dass St. Pauli auch Verlierern ein Zuhause gibt, und wenn mir das irgendwann zu viel wird, muss ich gehen. Aber die waren zuerst hier und nicht wir.“

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 ??  ?? Kiez-Größe Corny Littmann (64) weiß um die Probleme seines Stadtteils, will jedoch nicht alles über einen Kamm scheren. Seit Tagen diskutiert die Stadt über den Niedergang St. Paulis – unten die gestrige MOPO-Titelseite.
Kiez-Größe Corny Littmann (64) weiß um die Probleme seines Stadtteils, will jedoch nicht alles über einen Kamm scheren. Seit Tagen diskutiert die Stadt über den Niedergang St. Paulis – unten die gestrige MOPO-Titelseite.
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