Hamburger Morgenpost

Hamburgs billigste Wohnungen

60 Quadratmet­er für unter 500 Euro.

- MAX WEINHOLD max.weinhold@mopo.de

Wo es solche Angebote gibt, was sie taugen

Der durchschni­ttliche Quadratmet­erpreis bei Neuvermiet­ungen in Hamburg liegt aktuell bei 12,68 Euro – Tendenz steigend. Stellt sich die Frage: Gibt es in Hamburg überhaupt noch günstige Wohnungen? Ich habe mich auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen begeben – und tatsächlic­h Wohnungen mit 60 Quadratmet­ern und mehr für unter 500 Euro kalt gefunden. Doch wie wohnt man da?

Die Suche im Internetpo­rtal „Immobilien­scout24“ergibt immerhin sechs Treffer mit diesen Kriterien. In der Stadtmitte ist – natürlich – nichts zu finden. Die Wohnungen liegen in Hummelsbüt­tel, Marmstorf, Langenhorn, Wandsbek, Harburg und Cranz – ziemlich ab vom Schuss. Die Kaltmieten reichen von 423 bis 486 Euro, die Flächen von 62 bis 86 Quadratmet­er.

Als Erstes stehe ich vor einem Rotklinker­haus in Cranz. Hundert Meter weiter beginnt Niedersach­sen. Außer dem Krächzen einer Krähe und dem Rascheln der Blätter höre ich hier nichts. Autos fahren hier kaum. Schöne Lage – eigentlich.

Ein genauerer Blick auf die Umgebung zeigt, warum drei Zimmer nur 485 Euro kalt kosten sollen: Mit Bus und Bahn dauert es eine Stunde und zehn Minuten bis zum Hauptbahnh­of, der nächste Supermarkt ist zu Fuß eine Stunde entfernt. Ohne Auto geht hier nichts.

Als Nächstes stehe ich vor einem gelben Kastenbau in Langenhorn. Schön ist das Haus nicht – dafür ist die nächste U-Bahn-Station in Sichtweite. Vom Kiwittsmoo­r dauert es bis zum Hauptbahnh­of aber immer noch 40 Minuten. Für die 2,5Zimmer-Wohnung mit 65 Quadratmet­ern verlangt die SAGA 466,20 Euro kalt.

„Die Lage ist das entscheide­nde Kriterium“, sagt Sylvia Sonnemann von „Mieter helfen Mietern“. „In Hamburg eine Wohnung zu diesen Konditione­n zu bekommen, ist eigentlich unmöglich, erst recht in vernünftig­er Lage. Die SAGA bietet neben den Genossensc­haften die einzige Möglichkei­t dazu“, sagt Sonnemann.

Beim nächsten Treffer scheine ich richtig Glück zu haben – das Angebot klingt fast unglaublic­h: 86 Quadratmet­er zum Preis von 470 Euro kalt in Wandsbek!

Als ich die Wohnung im neunten Stock betrete, traue ich meinen Augen kaum: frisch renoviert, zwei Bäder, Einbauküch­e und Balkon. Durch die großen Fenster sehe ich bis zum Michel – traumhaft!

Der Haken: Die Wohnung steht nur §5-Schein-Inhabern zur Verfügung. Bedeutet: Nur Mieter, deren Jahreseink­ommen eine Grenze nicht übersteigt, dürfen in die Wohnung ziehen. Bei einem Ein-PersonenHa­ushalt sind das in Deutschlan­d 12000 Euro Nettoeinko­mmen im Jahr, bei zwei Personen liegt die Obergrenze bei 18 000 Euro. Weil die Mieten in Hamburg höher als im Bundesschn­itt liegen, darf die Grenze hier jedoch um bis zu 40 Prozent überschrit­ten werden. Laut Sonnemann könnten damit rund die Hälfte aller Hamburger so einen Schein beantragen.

Doch zu früh gefreut: Damit ich in Wandsbek einziehen dürfte, hätte ich noch Frau und zwei Kinder gebraucht – ein weiteres Ausschluss­kriterium.

Die Wohnungen in Harburg, Hummelsbüt­tel und Marmstorf sind zwar wie alle unserer Funde in zumindest gutem Zustand und teils renoviert. Trotzdem bieten sie bei Weitem nicht so viel wie das Angebot aus Wandsbek. In Harburg kostet der Quadratmet­er 7,74 Euro, dafür gibt’s eine Altbauwohn­ung mit begrüntem Innenhof und jeder Menge Fahrzeit in die Stadt.

Wie in Hummelsbüt­tel – hier kosten 62,57 Quadratmet­er mit §5-Schein 430 Euro. In die Innenstadt dauert es gut 32 Minuten und damit knapp zehn Minuten weniger als aus Marmstorf, wo es ähnliche Konditione­n ohne §5-Schein gibt.

„Mehr ist aber in so einer Lage auch nicht zu erwarten“, bestätigt Siegmund Chychla, Vorsitzend­er des Mietervere­ins zu Hamburg. „Durchschni­ttsverdien­er werden in Hamburg ausgesperr­t.“

Zu unseren Kriterien eine Wohnung in Hamburg zu finden, ist also nicht unmöglich – aber schwierig. Die günstigen Wohnungen liegen am Stadtrand. Doch die Lebensqual­ität steigt leider nicht mit der Fahrzeit in die City. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen ist in Hamburg besonders schwer.

„Durchschni­ttsverdien­er werden in Hamburg ausgesperr­t.“Siegmund Chychla, Vorsitzend­er des Mietervere­ins zu Hamburg

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Schwerpunk­t 60 Quadratmet­er unter 500 Euro kalt: Solche Wohnungen gibt es wirklich. Aber wo – und was bieten sie? Rotklinker in Cranz: In diesem Haus in Hamburgs Süden kostet die Drei-Zimmer-Wohnung 485 Euro kalt.
Schwerpunk­t 60 Quadratmet­er unter 500 Euro kalt: Solche Wohnungen gibt es wirklich. Aber wo – und was bieten sie? Rotklinker in Cranz: In diesem Haus in Hamburgs Süden kostet die Drei-Zimmer-Wohnung 485 Euro kalt.
 ??  ?? 2,5 Zimmer für 466,20 Euro – das gelbe Mehrfamili­enhaus am Kiwittsmoo­r in Langenhorn liegt idyllisch am Wald.
2,5 Zimmer für 466,20 Euro – das gelbe Mehrfamili­enhaus am Kiwittsmoo­r in Langenhorn liegt idyllisch am Wald.

Newspapers in German

Newspapers from Germany