Hamburgs billigste Wohnungen
60 Quadratmeter für unter 500 Euro.
Wo es solche Angebote gibt, was sie taugen
Der durchschnittliche Quadratmeterpreis bei Neuvermietungen in Hamburg liegt aktuell bei 12,68 Euro – Tendenz steigend. Stellt sich die Frage: Gibt es in Hamburg überhaupt noch günstige Wohnungen? Ich habe mich auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen begeben – und tatsächlich Wohnungen mit 60 Quadratmetern und mehr für unter 500 Euro kalt gefunden. Doch wie wohnt man da?
Die Suche im Internetportal „Immobilienscout24“ergibt immerhin sechs Treffer mit diesen Kriterien. In der Stadtmitte ist – natürlich – nichts zu finden. Die Wohnungen liegen in Hummelsbüttel, Marmstorf, Langenhorn, Wandsbek, Harburg und Cranz – ziemlich ab vom Schuss. Die Kaltmieten reichen von 423 bis 486 Euro, die Flächen von 62 bis 86 Quadratmeter.
Als Erstes stehe ich vor einem Rotklinkerhaus in Cranz. Hundert Meter weiter beginnt Niedersachsen. Außer dem Krächzen einer Krähe und dem Rascheln der Blätter höre ich hier nichts. Autos fahren hier kaum. Schöne Lage – eigentlich.
Ein genauerer Blick auf die Umgebung zeigt, warum drei Zimmer nur 485 Euro kalt kosten sollen: Mit Bus und Bahn dauert es eine Stunde und zehn Minuten bis zum Hauptbahnhof, der nächste Supermarkt ist zu Fuß eine Stunde entfernt. Ohne Auto geht hier nichts.
Als Nächstes stehe ich vor einem gelben Kastenbau in Langenhorn. Schön ist das Haus nicht – dafür ist die nächste U-Bahn-Station in Sichtweite. Vom Kiwittsmoor dauert es bis zum Hauptbahnhof aber immer noch 40 Minuten. Für die 2,5Zimmer-Wohnung mit 65 Quadratmetern verlangt die SAGA 466,20 Euro kalt.
„Die Lage ist das entscheidende Kriterium“, sagt Sylvia Sonnemann von „Mieter helfen Mietern“. „In Hamburg eine Wohnung zu diesen Konditionen zu bekommen, ist eigentlich unmöglich, erst recht in vernünftiger Lage. Die SAGA bietet neben den Genossenschaften die einzige Möglichkeit dazu“, sagt Sonnemann.
Beim nächsten Treffer scheine ich richtig Glück zu haben – das Angebot klingt fast unglaublich: 86 Quadratmeter zum Preis von 470 Euro kalt in Wandsbek!
Als ich die Wohnung im neunten Stock betrete, traue ich meinen Augen kaum: frisch renoviert, zwei Bäder, Einbauküche und Balkon. Durch die großen Fenster sehe ich bis zum Michel – traumhaft!
Der Haken: Die Wohnung steht nur §5-Schein-Inhabern zur Verfügung. Bedeutet: Nur Mieter, deren Jahreseinkommen eine Grenze nicht übersteigt, dürfen in die Wohnung ziehen. Bei einem Ein-PersonenHaushalt sind das in Deutschland 12000 Euro Nettoeinkommen im Jahr, bei zwei Personen liegt die Obergrenze bei 18 000 Euro. Weil die Mieten in Hamburg höher als im Bundesschnitt liegen, darf die Grenze hier jedoch um bis zu 40 Prozent überschritten werden. Laut Sonnemann könnten damit rund die Hälfte aller Hamburger so einen Schein beantragen.
Doch zu früh gefreut: Damit ich in Wandsbek einziehen dürfte, hätte ich noch Frau und zwei Kinder gebraucht – ein weiteres Ausschlusskriterium.
Die Wohnungen in Harburg, Hummelsbüttel und Marmstorf sind zwar wie alle unserer Funde in zumindest gutem Zustand und teils renoviert. Trotzdem bieten sie bei Weitem nicht so viel wie das Angebot aus Wandsbek. In Harburg kostet der Quadratmeter 7,74 Euro, dafür gibt’s eine Altbauwohnung mit begrüntem Innenhof und jeder Menge Fahrzeit in die Stadt.
Wie in Hummelsbüttel – hier kosten 62,57 Quadratmeter mit §5-Schein 430 Euro. In die Innenstadt dauert es gut 32 Minuten und damit knapp zehn Minuten weniger als aus Marmstorf, wo es ähnliche Konditionen ohne §5-Schein gibt.
„Mehr ist aber in so einer Lage auch nicht zu erwarten“, bestätigt Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. „Durchschnittsverdiener werden in Hamburg ausgesperrt.“
Zu unseren Kriterien eine Wohnung in Hamburg zu finden, ist also nicht unmöglich – aber schwierig. Die günstigen Wohnungen liegen am Stadtrand. Doch die Lebensqualität steigt leider nicht mit der Fahrzeit in die City. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen ist in Hamburg besonders schwer.
„Durchschnittsverdiener werden in Hamburg ausgesperrt.“Siegmund Chychla, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg