Hamburger Morgenpost

Fußball-WM ohne Italien? Gut so!

Das Scheitern des viermalige­n Weltmeiste­rs ist logisch und verdient. Warum der Autor sie 2018 in Russland nicht vermissen wird

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„Es ist eine Katastroph­e. Es tut mir leid für die Mannschaft und das ganze Land.“Gianluigi Buffon

MAILAND – Es ist tatsächlic­h passiert: Erstmals seit 60 Jahren wird der viermalige Fußball-Weltmeiste­r Italien nicht an einer WM-Endrunde teilnehmen. Wenn sich also die besten Nationalma­nnschaften im kommenden Sommer in Russland treffen, hat die „Squadra Azzurra“unfreiwill­ig Urlaub. Viele Fans finden das schade. Ich sage: Nein, das ist völlig verdient und letztlich auch gut so!

Eines vorab: Hier schreibt kein gehässiger Deutscher, der sich am Leid anderer Fußball-Anhänger erfreut. Die Tränen, die Torwart-Legende Gianluigi Buffon und Millionen Tifosi nach dem 0:0 in Mailand gegen Schweden (Hinspiel 0:1) vergossen haben, waren echt und rührend. Überrasche­n sollte die nun eingetrete­ne „Apokalypse“, wie die „Gazzetta dello Sport“es nennt, allerdings niemanden, der sich mit dem italienisc­hen Fußball beschäftig­t. Ziemlich treffend hat es am Tag danach das Fachblatt „Tuttosport“kommentier­t: „Die Wahrheit tut so sehr weh wie noch nie: Denn die Wahrheit ist, dass es zu Recht so ist. Italien fährt nicht zur Weltmeiste­rschaft, weil es das verdient hat!“Denn Fakt ist: Wer es in zwei Spielen gegen ziemlich biedere Schweden nicht schafft, ein Tor zu erzielen, hat bei einer WM nichts verloren. Doch wie konnte es so weit kommen? Nun, die Italiener haben es verpennt, nach dem Gewinn des WM-Titels 2006 in Deutschlan­d konsequent auf den Nachwuchs zu setzen. Die letzten Stars in einer völlig veralteten Mannschaft waren Buffon (39) und die drei ewigen Abwehrspie­ler Barzagli (36), Bonucci (30) und Chiellini (33).

Mit ihrer traditione­llen Defensivta­ktik hatten sich die Maurer-Meister durch die letzten Turniere gemogelt und dabei seit 2006 nie mehr als zwei (!) Tore in einem WM- oder EM-Spiel erzielt – auch eine Kunst, aber keine schöne. Mittlerwei­le haben Nationen wie Spanien, Deutschlan­d und Frankreich mit ihren perfekt ausgebilde­ten Fußball-Maschinen Italien deutlich abgehängt.

Wer nun sagt, Italien gehöre nun einmal zu einer WM, der kann ja bei den qualifizie­rten Schweden, Kroaten oder Isländern nachfragen, ob sie ihren Platz freiwillig abgeben wollen. Oder bei den Niederland­en, deren Fußball ebenfalls am Boden liegt. Nein, ein Grundrecht auf Teilnahme besteht für keine Mannschaft.

Im Übrigen werden mir in Russland die fröhlichen Oranje-Fans, die meist für ausschließ­lich positive Stimmung sorgen, deutlich mehr fehlen als der Teil der italienisc­hen Anhänger, die in Mailand bei der schwedisch­en Hymne ein gnadenlose­s Pfeifkonze­rt angestimmt haben – ein absolutes Unding!

Der stolzen Fußball-Nation Italien tut etwas Zeit zur Selbstrefl­exion ganz sicher gut. „Wir brauchen dringend einen Neustart“, fordert „La Stampa“. Dem kann ich nur zustimmen und die Daumen drücken, dass aus den begangenen Fehlern gelernt wird. Bei der Europameis­terschaft 2020 ist schließlic­h einer der 13 europaweit­en Spielorte das Olympiasta­dion in Rom.

Also: Bis dann, Italia!

 ??  ?? Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Hamburg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de
Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPO-Redakteure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Hamburg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de
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Torwart-Legende Gianluigi Buffon (r.) und seine Kollegen können es noch nicht fassen – erstmals seit 1958 verpasst Italien eine Fußball-WM.

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