Mein täglicher Kampf auf Hamburgs Straßen
Steffen Wossidlo ist Handwerker – und in seinem VW-Bus ständig in unserer Stadt unterwegs. Was er dabei erlebt, macht ihn fassungslos. Er fordert: Die Polizei muss endlich hart durchgreifen
Als Handwerker bin ich mit meinem VW-Bus täglich auf Hamburgs Straßen unterwegs. Ich habe sicher keinen Heiligenschein, fahre auch mal ein paar Stundenkilometer schneller als erlaubt, auch ich mache Fehler. Aber wenn ich sehe, wie sich andere im Straßenverkehr verhalten, da sträuben sich mir die Nackenhaare. Die Straße ist zum Kriegsschauplatz geworden.
Natürlich gibt es auch freundliche, aufmerksamen Autofahrer. Solche, die die Kreuzung frei halten, auch wenn Stau ist. Die anhalten, wenn ein anderer sich anschickt, aus einer Parklücke rauszufahren. Autofahrer, die einfach Rücksicht nehmen. Ja, es gibt sie noch, aber sie werden ganz klar weniger.
Gleichzeitig nimmt die Zahl derjenigen zu, die ihr Auto als Waffe benutzen, die ins Cockpit steigen und sich verhalten, als gäbe es kein Morgen. An keine Regel halten sie sich. Sie blinken nicht beim Abbiegen, sie missachten die Vorfahrt. Springt eine Ampel auf Rot, dann geben sie ungeniert Vollgas, um noch irgendwie über die Kreuzung zu kommen. Besonders an der Kreuzung Spaldingstraße/Heidenkampsweg beobachte ich das oft.
Und dann die Geschwindigkeiten, mit denen die unterwegs sind! Die sechsspurige LudwigErhard-Straße halten manche Zeitgenossen offenbar für eine Autobahn. Da wird derartig gerast, dass es mich wundert, dass nicht täglich Tote zu beklagen sind. Regelrechte Rennen werden in der Stadt veranstaltet – und wenn ein Unbeteiligter zu Schaden kommt, will es natürlich keiner gewesen sein.
Diese Rowdys treten die Verkehrsregeln mit Füßen – und niemand bringt sie zur Räson. Ich habe mich schon bei der Polizei erkundigt, ob ich dazu beitragen kann, dass solche Leute zur Rechenschaft gezogen werden, etwa indem ich sie fotografiere oder von ih-
nen ein Video drehe. Doch die Beamten haben abgewunken. So etwas sei nur möglich, wenn ich selbst der Geschädigte bin. Eigentlich bin ich gar nicht der Typ, der andere verpfeift oder anschwärzt. Aber wohin soll denn diese Verrohung auf den Straßen führen? Ein weiteres Thema, das mich fassungslos macht: Wie können Eltern zulassen, dass ihre Kinder unangeschnallt im Auto mitfahren? Manchmal sogar auf dem Schoß der Beifahrerin! Das sehe ich erschreckend oft, vor allem in Billstedt und Rahlstedt. Wenn es zu einem Unfall kommt und die Kinder bleibende Schäden davontragen, werden sich solche Mütter und Väter nie verzeihen können, derartig verantwortungslos gehandelt zu haben. Ich finde, es geht nicht so weiter. Es muss was geschehen. Die wichtigste Rolle dabei kommt der Polizei zu: Sie muss stärker kontrollieren und verantwortungslose Autofahrer zur Rechenschaft ziehen. Raser gehören schwer bestraft, denn das ist die einzige Sprache, die sie verstehen.
Wer einsichtig ist und sein Fahrverhalten ändern will, es aber nicht allein schafft, dem empfehle ich ein Fahrsicherheitstraining, wie es zum Beispiel auf dem ADAC-Übungsgelände in Lüneburg angeboten wird. Die Teilnehmer erfahren dort am eigenen Leib, welch großes Risiko sie eingehen, wenn sie die Regeln missachten.
Mir jedenfalls wurden dort die Augen geöffnet. Ich werde nie den Moment vergessen, als ich durch eine Wasserbarriere fahren musste. Da habe ich erlebt, dass jedem Fahrzeug enge physikalische Grenzen gesetzt sind, von der Reaktionszeit des Fahrers mal ganz zu schweigen. Jeder Autofahrer, der das erlebt hat, wird danach sehr viel bewusster durch die Stadt fahren. Ich zumindest bin seit dem Sicherheitstraining zehn Stundenkilometer langsamer unterwegs. Weil ich mehr denn je weiß, was für eine große Verantwortung jeder hat, der am Straßenverkehr teilnimmt.