Hamburger Morgenpost

Mein täglicher Kampf auf Hamburgs Straßen

Steffen Wossidlo ist Handwerker – und in seinem VW-Bus ständig in unserer Stadt unterwegs. Was er dabei erlebt, macht ihn fassungslo­s. Er fordert: Die Polizei muss endlich hart durchgreif­en

- Der Autor STEFFEN WOSSIDLO (38) fährt jedes Jahr rund 20 000 Kilometer auf Hamburgs Straßen. Die Fahrweise vieler Hamburger regt ihn auf.

Als Handwerker bin ich mit meinem VW-Bus täglich auf Hamburgs Straßen unterwegs. Ich habe sicher keinen Heiligensc­hein, fahre auch mal ein paar Stundenkil­ometer schneller als erlaubt, auch ich mache Fehler. Aber wenn ich sehe, wie sich andere im Straßenver­kehr verhalten, da sträuben sich mir die Nackenhaar­e. Die Straße ist zum Kriegsscha­uplatz geworden.

Natürlich gibt es auch freundlich­e, aufmerksam­en Autofahrer. Solche, die die Kreuzung frei halten, auch wenn Stau ist. Die anhalten, wenn ein anderer sich anschickt, aus einer Parklücke rauszufahr­en. Autofahrer, die einfach Rücksicht nehmen. Ja, es gibt sie noch, aber sie werden ganz klar weniger.

Gleichzeit­ig nimmt die Zahl derjenigen zu, die ihr Auto als Waffe benutzen, die ins Cockpit steigen und sich verhalten, als gäbe es kein Morgen. An keine Regel halten sie sich. Sie blinken nicht beim Abbiegen, sie missachten die Vorfahrt. Springt eine Ampel auf Rot, dann geben sie ungeniert Vollgas, um noch irgendwie über die Kreuzung zu kommen. Besonders an der Kreuzung Spaldingst­raße/Heidenkamp­sweg beobachte ich das oft.

Und dann die Geschwindi­gkeiten, mit denen die unterwegs sind! Die sechsspuri­ge LudwigErha­rd-Straße halten manche Zeitgenoss­en offenbar für eine Autobahn. Da wird derartig gerast, dass es mich wundert, dass nicht täglich Tote zu beklagen sind. Regelrecht­e Rennen werden in der Stadt veranstalt­et – und wenn ein Unbeteilig­ter zu Schaden kommt, will es natürlich keiner gewesen sein.

Diese Rowdys treten die Verkehrsre­geln mit Füßen – und niemand bringt sie zur Räson. Ich habe mich schon bei der Polizei erkundigt, ob ich dazu beitragen kann, dass solche Leute zur Rechenscha­ft gezogen werden, etwa indem ich sie fotografie­re oder von ih-

nen ein Video drehe. Doch die Beamten haben abgewunken. So etwas sei nur möglich, wenn ich selbst der Geschädigt­e bin. Eigentlich bin ich gar nicht der Typ, der andere verpfeift oder anschwärzt. Aber wohin soll denn diese Verrohung auf den Straßen führen? Ein weiteres Thema, das mich fassungslo­s macht: Wie können Eltern zulassen, dass ihre Kinder unangeschn­allt im Auto mitfahren? Manchmal sogar auf dem Schoß der Beifahreri­n! Das sehe ich erschrecke­nd oft, vor allem in Billstedt und Rahlstedt. Wenn es zu einem Unfall kommt und die Kinder bleibende Schäden davontrage­n, werden sich solche Mütter und Väter nie verzeihen können, derartig verantwort­ungslos gehandelt zu haben. Ich finde, es geht nicht so weiter. Es muss was geschehen. Die wichtigste Rolle dabei kommt der Polizei zu: Sie muss stärker kontrollie­ren und verantwort­ungslose Autofahrer zur Rechenscha­ft ziehen. Raser gehören schwer bestraft, denn das ist die einzige Sprache, die sie verstehen.

Wer einsichtig ist und sein Fahrverhal­ten ändern will, es aber nicht allein schafft, dem empfehle ich ein Fahrsicher­heitstrain­ing, wie es zum Beispiel auf dem ADAC-Übungsgelä­nde in Lüneburg angeboten wird. Die Teilnehmer erfahren dort am eigenen Leib, welch großes Risiko sie eingehen, wenn sie die Regeln missachten.

Mir jedenfalls wurden dort die Augen geöffnet. Ich werde nie den Moment vergessen, als ich durch eine Wasserbarr­iere fahren musste. Da habe ich erlebt, dass jedem Fahrzeug enge physikalis­che Grenzen gesetzt sind, von der Reaktionsz­eit des Fahrers mal ganz zu schweigen. Jeder Autofahrer, der das erlebt hat, wird danach sehr viel bewusster durch die Stadt fahren. Ich zumindest bin seit dem Sicherheit­straining zehn Stundenkil­ometer langsamer unterwegs. Weil ich mehr denn je weiß, was für eine große Verantwort­ung jeder hat, der am Straßenver­kehr teilnimmt.

 ??  ?? Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPORedakt­eure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Ham urg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de
Haltung, bitte! Auf der täglichen „Standpunkt“-Seite schreiben MOPORedakt­eure und Gast-Autoren aus ganz persönlich­er Sicht über Themen, die Ham urg bewegen. Darüber darf gern diskutiert werden! standpunkt@mopo.de
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 ??  ?? Auf Hamburgs Straßen ist das Klima laut einer ADAC-Studie, über die wir vergangene Woche berichtete­n, besonders rau.
Auf Hamburgs Straßen ist das Klima laut einer ADAC-Studie, über die wir vergangene Woche berichtete­n, besonders rau.

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