Triumph für Schulz – Schlappe für Scholz
Trotz Bedenken gegen GroKo: Mehrheit für Sondierung. Parteichef mit überzeugenden 81,9 Prozent wiedergewählt
„Morgen wird gezofft“, ahnte Martin Schulz schon vor dem Parteitag. Recht hatte er: Vor allem von der SPD-Jugend gab’s massiven Widerstand gegen eine neue GroKo. Nach fast fünfstündiger Redeschlacht stand Martin Schulz am Abend aber als Gewinner da: Der Parteitag gab grünes Licht für Sondierungen – und bestätigte ihn mit 81,9 Prozent als Parteichef. Anders Olaf Scholz: Hamburgs Bürgermeister erlebte ein Desaster. Diesmal waren es keine 100 Prozent wie bei Martin Schulz' erster Wahl zum Vorsitzenden im März. „Das war ein schöner Moment. Aber danach kamen schwierige Zeiten“, sagte Schulz mit Blick auf die Bundestagswahl. Doch auch diesmal erhielt SPD-Chef Schulz große Unterstützung und minutenlangen Applaus. „Ich wünsche mir, dass auf der Grundlage dieses Ergebnisses bessere Zeiten kommen“, erklärte er in seiner Dankesrede nach der Wahl und bedankte sich für den überraschend großen Vertrauensvorschuss.
Die Abstimmung über „ergebnisoffene Gespräche“mit der Union fiel noch deutlicher aus, kaum ein Genosse stimmte dagegen. Dabei hatten die Jusos und der mächtige NRWLandesverband schon vorab signalisiert, man könne über alles reden – nur nicht über eine neue GroKo.
In seiner Grundsatzrede reagierte Schulz mit einer Entschuldigung auf seinen Anteil an der Niederlage bei der Bu-
destagswahl. „So ein Jahr kann man nicht einfach abschütteln. So ein Jahr steckt in den Knochen.“Die SPD habe aber nicht nur die letzte, sondern die vier letzten Bundestagswahlen und seit 1998 die Hälfte ihrer Wählerschaft verloren. Deshalb müsse es einen Neustart geben.
Dann entwickelte Schulz eine ehrgeizige Vision von den „Vereinigten Staaten von Europa“, die bis 2025 Realität werden könnten: „Europa ist unsere Lebensversicherung.“
Er rief seine Partei auf, den Gesprächen mit der Union zuzustimmen. „Wir müssen nicht um jeden Preis regieren. Aber wir dürfen auch nicht um jeden Preis nicht regieren wollen“, sagte der 61-Jährige.
Wie zu erwarten kam die Gegenattacke vor allem von den Jusos. Die SPD müsse zu ihrer Entscheidung stehen, in die Opposition zu gehen, so der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation, Kevin Kühnert: „Die Erneuerung der SPD wird außerhalb einer GroKo sein. Oder sie wird nicht sein.“Er warnte vor einer „Verzwergung“der SPD.
Die Partei sei kein „Korrekturbetrieb“der Union. Auf etlichen Plakaten im Saal wurde der Nachwuchs noch deutlicher: „Mit Arschlöchern koalieren wir nicht!“, hieß es deftig. Zumindest in Sondierungsgespräche mit der Union wird die SPD aber gehen.
Eine wichtige Rolle wird dabei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz spielen. Obwohl er von den Genossen am Abend hart abgestraft wurde: Bei der Wahl der sechs Vize-Parteivorsitzenden bekam Scholz verheerende 59,2 Prozent – vor zwei Jahren waren es noch 80,2 Prozent gewesen. Kaum besser schnitt mit 61,6 Prozent Schleswig Holsteins SPDChef Ralf Stegner ab. Absolute Stimmenkönigin: Malu Dreyer mit 97,5 Prozent der Stimmen. Dahinter: Manuela Schwesig (86 Prozent), Natascha Kohnen (80,1 Prozent) und Thorsten Schäfer-Gümbel (78,3 Prozent).