Hamburger Morgenpost

Er soll die Grünen retten

Nordlicht als Hoffnungst­räger:

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Die Grünen – eine Partei im Dornrösche­nschlaf. In der politische­n Landschaft inzwischen an der Grenze der Wahrnehmba­rkeit. Bedroht vom Rauswurf aus den Parlamente­n. Doch es gibt Hoffnung. Robert Habeck (48), der charismati­sche Umweltmini­ster aus Schleswig-Holstein, will wieder Schwung in den Laden bringen. Das ist nicht nur dringend nötig – er hat auch das Zeug dazu.

Eigentlich waren mir die Grünen immer sympathisc­h. Mit ihrer Themensetz­ung, mit ihrer manchmal chaotische­n Streitkult­ur, die sich angenehm von der Grabesruhe in anderen Parteien unterschie­d. Die Grünen waren nie Heimat für aalglatte Karrierist­en, für devote Ja-Sager oder gierige Pöstchen-Geier.

Und heute? Da ist die Partei ins Abseits gedriftet. Sie macht zwar zum Teil in den Landesparl­amenten ganz ordentlich­e Politik. Aber auf Bundeseben­e läuft nicht viel zusammen.

Und das, obwohl so viele urgrüne Themen wie noch nie auf der politische­n Tagesordnu­ng stehen. Wie zum Beispiel der Dieselskan­dal. Oder die DauerDisku­ssion um luftversch­mutzte Städte. Die Debatte um den Elektroant­rieb für Autos, der Glyphosats­kandal, der Ausstieg aus Kohle- und Atomkraft.

Wie kann eine Partei sich bei ihren ureigenen Themen nur so die Butter vom Brot nehmen lassen?

Und da sind wir beim Spitzenper­sonal. Vorbei die Zeiten, als Joschka Fischer, Jürgen Trittin oder Renate Künast die grüne Politik in der Öffentlich­keit mächtig vertreten haben. Man konnte ihre Auffassung­en teilen oder auch nicht – Reibungspu­nkte und Diskussion­sstoff gab es allemal.

Heute verbreiten die Protagonis­ten der Partei gepf egte Langeweile. Zum Beispiel Simone Peter. Kennen Sie die? Wahrschein­lich nicht. Dabei ist sie seit 2013 Parteichef­in.

Und was macht Anton Hofreiter eigentlich? Stell dir vor, er ist Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen – und keiner merkt’s.

Ist Katrin GöringEcka­rdt noch bei den Grünen? Sie ist eigentlich neben Hofreiter Fraktionsc­hefin im Bundestag. Ihre Wahrnehmba­rkeit, freundlich formuliert: gering.

Cem Özdemir ist seit neun Jahren Grünen-Chef, will seinen Stuhl Anfang 2018 räumen. Von ihm wird bleiben, dass er sich bei der „Icebucket Challenge“einen Eimer mit Eiswasser für den guten Zweck über den Kopf gegossen hat. Und dass er eine CannabisPf anze hatte.

Und dann sind da noch die haarsträub­enden Fehler bei der Vermittlun­g grüner Politik. Da überlässt die Partei in Sachen Umweltpoli­tik ausgerechn­et ihrem baden-württember­gischen Auto-Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n die Deutungsho­heit. Der darf das Ziel der Partei, bis 2030 aus der Verbrennun­gstechnolo­gie auszusteig­en, nahe- zu unwiderspr­ochen als Schwachsin­n bezeichnen.

Unvergesse­n auch das Rumgeeiere von Katharina Fegebank, Hamburgs Zweiter Bürgermeis­terin, beim G20-Gipfel. Da hatte sie die Rolle der Ja-Sagerin übernommen: Sie sehe den Gipfel positiv, wiederholt­e sie immer wieder. Kein kritisches Wort zur Demoverbot­szone. „Jahrelang haben sie sich für Bürgerrech­te stark und verdient gemacht und zum G20-Gipfel sind sie ein Totalausfa­ll“, brachten es die Linken auf Punkt.

Robert Habeck ist d aus anderem Holz Norddeutsc­h. Doktor Philosophi­e. Schriftst Vater von vier Kinde Rhetorisch fit. Ein M der anschaulic­h erzä kann. Und mit der nö Mischung aus Einfühl keit und Dickkopf a stattet ist, um sich als ner Landwirtsc­haftsm ter erfolgreic­h mit d Dithmarsch­er Bauern herumzusch­lagen.

In Schleswig-Holstein lieben sie ihn, weil er ehrlich wirkt u überzeugen­d. Weil er zipien hat, aber die K des Kompromiss­es be herrscht. Vor allem dank ihm haben die Grünen an der Küste auch zuletzt noch gute Werte eingefahre­n.

Nun also will er in Berlin in seiner Partei einen Knochenjob übernehmen. Für ihn persönlich gibt’s da wohl wenig zu gewinnen und viel zu verlieren. Für die Grünen könnte es ein Glücksfall werden: Denn wer kann die Grünen vor der Bedeutungs­losigkeit retten, wenn nicht der koHeiland aus Kiel?

Wie kann eine Partei sich bei ihren ureigenen Themen nur so die Butter vom Brot nehmen lassen?

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Öfter zu Scherzen aufgelegt: Robert Habeck

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