Die fette, süße Verlockung
Der Anteil übergewichtiger Kinder steigt – einen großen Teil der Schuld trägt die Werbung
Wenn der Komiker Bully Herbig feixend für Süßigkeiten wirbt, bringt er die Kinder vor dem Bildschirm nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Naschen. Eine Schokoladenfirma druckte zur Fußball-Europameisterschaft Kinderfotoseiniger Spieler auf die Packungen. Lustig und harmlos? Nein, denn unter den 11- bis 17Jährigen leidet fast jedes fünfte Kind an Übergewicht. Gerade in der Weihnachtszeit landen wieder Berge von Süßigkeiten auf den Tellern. Oft wissen Eltern nicht, wie hoch der Fettund Zuckeranteil in bestimmten Lebensmitteln ist, die Kinder täglich verzehren. Einen Grund dafür fand das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung gemeinsam mit der Uni Mannheim heraus. Die Berliner Forscher vermaßen 305 Kinder und baten parallel dieVäter und Mütter, den Zuckergehalt eines Bechers Fruchtjoghurts von 250 Gramm zuschätzen. Die Eltern tippten im Durchschnitt auf vier Zuckerwürfel –statt der tatsächlichen elf. Interessant dabei: Je stärker die Eltern den Zuckergehalt unterschätzten, desto höher war der Body-Mass-Index(BMI) ihrer Kinder. Der Einfluss der Werbung tut sein Übriges. Aus der europäischen Studie „I.Family“, die das Ernährungsverhalten von Kindern in zwölf Ländern untersucht hat, geht hervor, dass es selbst sehr gesundheitsbewussten Eltern schwerfällt, den Nachwuchs zu einer ausgewogenen Ernährung anzuhalten.
Der Experte Tobias Effertz von der Universität Hamburg hat im Auftrag der AOK das Thema „Kindermarketing für Lebensmittel im Internet“untersucht. Seiner Meinung nach sollte Werbung für Kinder eingeschränkt werden.
Letztlich entscheiden die Eltern, was gekauft wird. Warum spielt Kindermarketing überhaupt eine Rolle? Laut Effertz haben Kinder einen größeren Einfluss, als viele denken. Studien zeigen, dass sie etwa jeden zweiten Kaufwunsch tatsächlich durchsetzen. Auf die Frage, ob die Unternehmen Tricks anwenden, um Kinder zu erreichen, sagte Effertz dem AOK-Magazin „Vigo - Gesund leben“: „Kindermarketing ist emotional. Dazu muss man wissen, dass sich die Kontrolle der Gefühle erst jenseits der Pubertät festigt. Wenn ein Produkt also Spaß verheißt, will das Kind es unbedingt haben.“Argumente seien dann zwecklos. Nach dem achten Lebensjahr steige außerdem die Risikoneigung. Kinder seien neugierig, sagt Effertz . „ Sie wollen die Weltentdecken – und werden prompt mit Werbung konfrontiert, die auf sie zugeschnitten ist und aufregende Erlebnisse verspricht.“Auch das Internet spiele eine große Rolle und beeinflusse die Ernährungsgewohnheiten der Jüngsten. Da Kinder oft allein surfen, können Unternehmen sie etwa in sozialen Netzwerken noch besser direkt erreichen als an jedem anderen Ort – etwa 60 Prozent der Hersteller veröffentlichen kinderspezifische Ansprachen auf ihren Seiten. Dabei werden ungesunde Produkte für Kinder besonders stark beworben.
Kindermarketing funktioniert in den bei den jüngsten Usern beliebten Kanälen besonders gut. Problematisch sei daran, dass ein Produkt wie ein „Freund“auftreten könne und zum Beispiel Beiträge kommentierte. „Das Pro-