Darum ist diese Fahndung so wichtig
Der Rechtsstaat schlägt zurück: Nicht wütend und emotional, sondern rational und präzise. Denn nur so kann die Gewalt beim Gipfel aufgearbeitet werden – auch wenn das enorme Kräfte bindet
Die Ausschreitungen beim G20-Gipfel in Hamburg waren einzigartig – und genauso einzigartig ist die Aufarbeitung. Seit Monaten sind 163 Beamte nur damit beschäftigt, Bilder und Videos zu sichten, Täter zu identif zieren, gerichtsfeste Beweise zu sammeln. Das ist mühsam, das dauert – vor allem bindet es beispiellose Ressourcen. Dass dies trotzdem passiert, ist ein gutes Zeichen.
Denn das macht den Rechtsstaat aus: Nicht wütend und emotional zu agieren – wie all die Politiker, die seit Monaten etwa die Räumung der Roten Flora fordern, ohne genaue Beweise für Straftaten vorzulegen – sondern rational und genau. Das ist nicht selbstverständlich. Die 163 Beamten fehlen an anderer Stelle. Bei der Jagd nach Einbrechern, nach Räubern, Dieben, Betrügern, Männern, die ihre Frauen verprügeln.
8000 Verfahren sind bei der Kripo derzeit zurückgestellt. Kriminelle, die nicht verfolgt werden. Zeugen, die nicht gehört werden. Spuren, die nicht gesichert werden. Lohnt sich da der Aufwand für ein paar Flaschenwerfer und Plünderer?
Ja, denn wir Hamburger haben ein Recht darauf, zu erfahren, wer die Leute sind, die in unserer Stadt Autos abgefackelt, Läden geplündert und Polizisten angegriffen haben. Das ist auch für die Aufarbeitung der Krawalle wichtig – denn hier sind weiter wichtige Fragen offen: Woher kamen die Gewalttäter, was hat sie motiviert? Wie viel Gewalt war geplant, wie viel ist zum Beispiel aus der stundenlangen Abwesenheit der Polizei im Schanzenviertel entstanden?
Bislang haben Hamburgs Richter (bis auf den Fall eines jungen Niederländers) mit Augenmaß geurteilt: Mehrfach vorbestrafte Hooligans und Plünderer sitzen jetzt im Knast, andere kamen mit einer Bewährung davon. Es ist davon auszugehen, dass das auch nach dieser gigantischen Fahndung so weitergeht.
Wer jetzt, wie einige Linksextreme, von einer staatlichen Hetzkampagne gegen aufrechte Aktivisten faselt, hat vieles immer noch nicht verstanden. In Hamburg Polizisten mit Pf astersteinen zu bewerfen, zu brandstiften und Läden zu plündern, ist schlicht kriminell.
Umso bezeichnender, dass zeitgleich Berliner Linksextremisten Fotos von Polizisten, die an der Räumung eines besetzten Berliner Hauses beteiligt waren, online an den Pranger stellen mit der Bitte um Hinweise auf ihre Privatadressen. Denn genau hier liegt der Unterschied zwischen Selbstjustiz und Rechtsstaat samt Gewaltenteilung. Deutschland wird in dem zugehörigen Pamphlet
als „faschistischer Staat“, die Gewalt beim Gipfel als notwendig und erfolgreich bezeichnet. Das zeigt, welche Gesellschaft einen erwartet, wenn Extremisten die Macht übernehmen. Und dennoch bleiben offene Fragen:
➤ Da wäre der umstrittene Prozess gegen den „G20-Bubi“Fabio V., bei dem am Ende wohl der Bundesgerichtshof entscheiden wird, ob der Aufenthalt in einem gewalttätigen schwarzen Block an sich schon eine Straftat ist, auch wenn man nicht selber Steine wirft.
➤ Spannend wird sein, ob die Aufarbeitung von Gewalttaten durch Beamte genauso akribisch und zeitnah erfolgen wird. 115 Verfahren sind es derzeit, der Einsatz mit mehreren Schwerverletzten am Rondenbarg ist immer noch nicht richtig aufgeklärt.
➤ Auch die Frage nach der politischen Verantwortung ist weiter offen. Weder Bürgermeister noch Innensenator noch Polizeipräsident noch Einsatzleiter haben bislang Verantwortung für das Desaster übernommen. Schuld an den offensichtlichen Fehleinschätzungen und -planungen will niemand sein. Offenbar hofft man im Senat, dass die Wähler das bis zur nächsten Hamburg-Wahl 2020 vergessen haben. Die polizeiliche Aufarbeitung ist in vollem Gange – die politische aber hat gerade erst begonnen.
Die Hamburger haben das Recht zu erfahren, wer Autos abgefackelt, Läden geplündert und Polizisten attackiert hat.
Chaos, Verwüstung, Anarchie: Beim G20-Gipfel versank unsere Stadt in Gewalt. Autos brannten, Vermummte zogen durch die Straßen, warfen mit Steinen, griffen Polizisten an. Nun wird nach 104 Verdächtigen gesucht – bei der größten Fahndung der deutschen Geschichte. Sie haben jemanden erkannt? Hinweise unter Angabe der Kennziffer in der Bildunterschrift an die Polizei: Tel. 428 67 65 43.