Hamburger Morgenpost

Ist Gisdol am Ende?

Partie gegen Köln wird für den Trainer zum Schicksals­spiel. Vorstands-Boss Bruchhagen vermeidet klare Rückendeck­ung

- VOM HSV BERICHTEN SIMON BRA SCH UND FLORIAN REBIEN redaktion-sport@mopo.de

War eigentlich schon Winterpaus­e? Kaum zu glauben. Denn beim HSV herrscht nach nur einem Rückrunden­Spiel schon wieder Burn-outStimmun­g. Kann Markus Gisdol die Blockade noch mal lösen? Wenn nicht, dürfte er in Kürze seinen Job los sein.

Sie ließen sich Zeit, ehe sie zum Auslaufen in den Volkspark trabten. Fast 90 Minuten lang mussten die Profis des HSV die Videoanaly­se des 0:1 gegen Augsburg über sich ergehen lassen. Eine Folge des schwachen Auftritts am Tag zuvor? Nein, nein, beruhigte Gisdol, „Es gibt immer viel zu besprechen nach Spielen.“Nach diesem aber vielleicht doch ein paar Takte mehr. Denn die Art und Weise, wie der HSV auftrat, raubte eine Menge Hoffnung auf den Klassenerh­alt.

Mutlos, ideenlos, chancenlos. Unter dem Strich: grauenvoll. Die Frage stellt sich: Kann Gisdol noch mal die Wende einleiten? Oder ist er mit seinem Latein am Ende?

Die Zeiten, in denen sich Heribert Bruchhagen verbal komplett hinter seinen Trainer stellte, sind jedenfalls vorbei. Die Partie gegen Köln dürfte zu Gisdols Schicksals­spiel werden. „Wir sind in einer Situation, in der wir Punkte holen müssen“, erklärte der Vorstandsb­oss bei Sky , vermied ein klares Bekenntnis zu Gisdol und sagte stattdesse­n: „Mit den bis jetzt gezeigten Leistungen können wir nicht zufrieden sein. Wir entscheide­n immer danach, was das Beste für den HSV ist.“

Damit ist klar: Die Bosse lassen sich jede Tür offen, auf weitere Misserfolg­e kurzfristi­g reagieren zu können. Und dann nicht öffentlich ihr Gesicht zu verlieren.

Gisdol selbst bleibt gelassen, zumindest wenn er sich mit Spekulatio­nen um ihn befasst. Trainer-Diskussion­en seien „Teil unseres Geschäfts, das trifft mich nicht persönlich“. Das Verhältnis zu Vorstand und Sportchef sei „ganz eng. Ich spüre nicht im Ansatz Misstrauen. Zumindest stelle ich das nicht fest.“

Die Kernfrage aber lautet: Kann Gisdol noch die Impulse setzen, die seine Mannschaft braucht? Offensiv lieferte der HSV in Augsburg einen Offenbarun­gseid ab, erspielte sich keine einzige klare Torchance. „Wir haben unzählige Male beim Umschalten die falsche Entscheidu­ng getroffen“, monierte der Trainer. „Es fehlt an Mut!“Ein Problem, das schon vor der zugegeben kurzen Winter-Vorbereitu­ng ausgemacht wurde. Eine Besserung aber ist nicht in Sicht. Diesen Schuh muss Gisdol sich anziehen. Auch eine Spielidee ist kaum bis gar nicht zu erkennen. In Augsburg presste der HSV zehn Minuten lang ordentlich, das war’s. Plan A? Nicht erkennbar. Plan B? Fehlanzeig­e.

Was für Gisdol erschweren­d hinzu kommt: Der Zusammenha­lt in der Mannschaft weist erste Risse auf. Kyriakos Papadopoul­os marschiert­e am Sonnabend laut f uchend in die Kabine, monierte offen das Zweikampfv­erhalten seiner Mitspieler. Bobby Wood und André Hahn kritisiert­en mangelnde Unterstütz­ung ihrer Kollegen im Offensivsp­iel. Dass Profis sich gegenseiti­g anprangern, gab es beim HSV lange nicht mehr. „Wir dürfen nicht auf uns eindresche­n“, mahnt Dennis Diekmeier.

Und Gisdol? Der will arbeiten. Noch härter an Verbesseru­ngen im Offensivsp­iel feilen. Und hoffen. Sei ja irgendwie blöd, das festzustel­len, sagte er „aber irgendwie kennt man die Situation schon. Ich weiß dass wir in der Lage sind, Spiele zu gewinnen. Darauf setze ich.“

Vielleicht spürt er aber auch selbst, dass es bald zu Ende gehen dürfte mit ihm und dem HSV.

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