Hamburger Morgenpost

Wir werden immer mehr

Erstmals seit den 60er Jahren hat unsere Stadt mehr als 1,8 Millionen Einwohner. Die Gewinner und Verlierer des Booms

- Von MIKE SCHLINK, JÜRN-JAKOB OSTERLIN UND PATRICK SUN

Nicht nur Touristen kommen gerne nach Hamburg, viele Menschen möchten auch dauerhaft hier leben – und zwar immer mehr! Laut Statistika­mt wohnten Ende 2016 erstmals seit knapp 50 Jahren mehr als 1,8 Millionen Menschen in unserer Stadt. Die MOPO zeigt, wer davon profitiert – und wer verliert.

➤ Wer kommt da überhaupt? Exakt 1 810 438 Menschen waren Ende 2016 in Hamburg gemeldet. Das sind 23 030 mehr als Ende 2015. Mehr als 1,8 Millionen waren letztmals 1969 in unserer Stadt gemeldet – bevor es zu Stadtfluch­t und Geburtenrü­ckgang kam. Bemerkensw­ert: Die ausländisc­he Bevölkerun­g wuchs um 19 880 auf 282132 Personen. Die deutsche Bevölkerun­g stieg nur um 3 150 Personen an. Ob es sich bei den Ausländern vor allem um Flüchtling­e handelt, kann das Statistika­mt nicht sagen. „Die amtliche Meldung erfolgt ohne Schicksals-Angaben“, so eine Sprecherin. Auch vor der Flüchtling­skrise zogen viele EU-Ausländer nach Hamburg. ➤ Der Fiskus darf sich freuen! Jeder weitere Einwohner sorgt im Schnitt für 4000 Euro zusätzlich­e Steuereinn­ahmen. Die Stadt erwirtscha­ftete 2017 mit 960 Millionen Euro einen Rekordüber­schuss – auch dank der Neu-Hamburger. ➤ Die Wirtschaft jubelt! Im vergangene­n Jahr setzte Hamburgs Einzelhand­el rund 13 Milliarden Euro um – ein Plus von drei Prozent im Vergleich zu 2016. „Je mehr Menschen nach Hamburg kommen, desto mehr wird umgesetzt“, sagt Brigitte Nolte vom Handelsver­band Nord. ➤ Die Grundeigen­tümer profitiere­n! Denn die Nachfrage lässt Mieten und Immobilien­preise steigen. „Durch den Bevölkerun­gszuwachs werden Vermieter weiter stets einen Mieter finden“, sagt Torsten Flomm vom Grundeigen­tümerverba­nd. Doch er nennt auch die Kehrseiten: „Quartiere werden sich verändern.“Wo heute noch eine Einfamilie­nhaus-Siedlung ist, könnten in wenigen Jahren durch den Wohnungsdr­uck Mehrfamili­enhäuser entstehen. ➤ Der Mietervere­in ist skeptisch: „Hamburg ist eine dynamische Stadt. Neu-Bürger sorgen für neue Impulse in allen Bereichen“, sagt Siegmund Chychla vom Mietervere­in zu Hamburg. Doch dafür bräuchte es mehr. „Es reicht nicht, jährlich mehr als 10 000 Baugenehmi­gungen zu erteilen. Die Wohnungen müssen real entstehen“, sagt er. Und: „Trotz der Bau-Offensive hat sich seit 2011 das Verhältnis von Einwohnern und Wohnungen nicht verbessert – weil viele Menschen nach Hamburg kommen.“➤ Stadtgrün verschwind­et! Durch mehr Menschen steigt der Flächenbed­arf, heißt es vom NABU, „für das Wohnen, für Gewerbegeb­ietsentwic­klung und Verkehrsin­frastruktu­r – oft auch mit Verlust von wertvollem Stadtgrün“. ➤ Noch mehr Staus! Durch den Bevölkerun­gs-Boom nimmt auch der Druck auf Hamburgs Straßen zu – weil immer mehr Fahrzeuge angemeldet werden und so auch Lärm und Abgase zunehmen. Anfang 2016 waren noch 761 655 Pkw in Hamburg gemeldet, ein Jahr später waren es 771573. „Der Platz auf der Straße wird enger, der Parkdruck steigt“, so Christian Hieff vom ADAC. ➤ Der HVV sieht’s gelassen. Rund 770,5 Millionen Fahrgäste sind 2016 mit Bussen und Bahnen gefahren – Tendenz steigend. Auf vielen Strecken herrscht Gedränge. Beim HVV weiß man, das etwas getan werden muss. „Auch jenseits der großen Projekte wie U4-Verlängeru­ng, U5, S4 und S21 bedeutet das: mehr Verbindung­en, dichtere Takte und größere Fahrzeuge“, so ein Sprecher.

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Weil Hamburg attraktiv ist, ziehen zahlreiche Menschen in die Elbmetropo­le.

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