Das Öl, das mich auf die Palme bringt
Kekse, Duschgel, Tütensuppe: In jedem zweiten Supermarkt - Produkt ist Palmöl drin. Ein billiger Inhaltsstoff. Doch um ihn zu gewinnen, wird der Regenwald zerstört
Wie nachhaltig kann ein Produkt sein, das Tausende Kilometer entfernt angebaut wird? Frank Wieding
Dunkelgrau, fast schwarz stehen die riesigen Rauchsäulen am Himmel. Der Regenwald in Flammen, unaufhörlich frisst sich das Feuer voran, Baum um Baum. Alltag auf Sumatra (Indonesien) – aber nicht nur dort. Und obwohl dies mehr als 11 000 Kilometer von Deutschland entfernt ist, hat dieser ökologische Irrsinn ganz viel mit uns und unserer Bequemlichkeit zu tun. Gucken Sie mal in Ihren Kühlschrank oder Vorratsraum.
Der Wald brennt an vielen Orten Südostasiens, um Platz zu machen für die Ölpalme. In gigantischen Monokulturen stehen sie Kilometer um Kilometer auf Flächen, die einst mit Mooren oder Regenwäldern bedeckt waren. Denn die weltweite Gier nach dem billigen Öl, das man nahezu überall reinpanschen kann, ist gigantisch. Ein milliardenschweres Geschäft. Allein 2016 wurden 65 Millionen Tonnen Palmöl für den Weltmarkt produziert. Das Problem: Die Pflanze gedeiht nur da, wo auch Regenwald wächst. 85 Prozent der Anbauflächen befinden sich in Indonesien und Malaysia – Umweltauflagen gibt es hier oft nur auf dem Papier. Dafür entscheiden Korruption und lokale Machtstrukturen, wie viel Schutz Tier und Natur wirklich verdienen, wie viele Menschen für die Plantagen enteignet und vertrieben werden.
So rasend schnell, wie sich die Flammen und Bulldozer in den Regenwald fressen, hat sich das Palmöl in unserem Alltag eingenistet. Es steckt in SchokoAufstrichen und Fertigsuppen, ist in Duschgels und Cremes, in Knabberzeugs, Eiscreme und Brot, in Seifen und Waschmitteln. Das hat Gründe: Palmöl hat bei Zimmertemperatur eine feste Konsistenz, ist geschmacksneutral, hitzestabil, lange haltbar und macht Lebensmittel beispielsweise streichfähig. Es ist geschätzt in jedem zweiten Supermarkt-Produkt! Und je bequemer wir werden, je weniger wir selber und frisch kochen, desto mehr Palmöl landet auf unseren Tellern. Zu allem Überfluss steckt es auch als „Biosprit“im Benzin. Ein umweltschädlicher Irrweg. Deswegen will das EU-Parlament heute über ein Verbot abstimmen. Sollte es dazu kommen, will Malaysia dagegen klagen.
Das Nachsehen haben bedrohte Tierarten, wie die faszinierenden OrangUtans, deren Erbgut zu 97 Prozent identisch mit dem von uns Menschen ist. Und obwohl die Menschenaffen mit uns so viel gemeinsam haben, verhindern wir nicht, dass sie in Indonesien immer mehr Lebensraum verlieren. Seit 1990 ist in Indonesien eine Fläche so groß wie Deutschland an Regenwald zerstört worden. Die Orang-Utans sterben oft bei den Brandrodungen oder verhungern, wenn der Wald zerstört ist.
Die Agrarfirmen und Lebensmittelkonzerne kennen die Macht der Bilder. Vertriebene Menschen, verstörte Affen, zerstörte Wälder, die Palmen-Wüsten – sie sind Gift für das Image multinationaler Konzerne. Deswegen versuchen mehrere Initiativen, Palmöl nachhaltiger zu machen und zu zertifizieren. Viele große Palmölkonzerne und ihre Kunden sind Mitglied beim „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“(RSPO), der sich für eine nachhaltige Palmölproduktion einsetzt und Plantagen zertifiziert. Der „Runde Tisch“ging aus einer Initiative des WWF hervor. Klingt erst mal gut, allerdings klafft eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
So sei etwa das Palmöl des asiatischen Wilmar-Konzerns zertifiziert, sagt der Hamburger Verein „Rettet den Regenwald“, obwohl der Hunderttausende Hektar Palmölplantagen im Regenwald betreiben würde und einer der Lieferanten von Unilever sei. Kein Wunder, dass das Image vom RSPO grottenschlecht ist. Dass sich die Konzerne hier trotzdem so wohlfühlen, hängt offenbar mit den butterweichen Standards zusammen – und „selbst die werden nicht konsequent umgesetzt“, bemängelt Greenpeace. So sehen die RSPO-Kriterien unter anderem vor, dass man sich „an Gesetze halten“ und schutzbedürftige Wälder (alle anderen schon) nicht abholzen soll. Es gebe kein Anbauverbot für Ölpalmen auf Torfmoorböden, obwohl dadurch gigantische Mengen klimaschädlicher Gase frei werden. Und auch ein Verbot von gefährlichen Pestiziden gebe es nicht. Wer so formuliert, da sind sich die Kritiker einig, verfolgt nur ein Ziel: Greenwashing! Selbst das „Forum nachhaltiges Palmöl“(FONAP), in dem auch das Landwirtschaftsministerium vertreten ist, und das die RSPO-Zertifizierung anerkennt, gesteht ein: Der RSPO, das derzeit am meisten genutzte Zertifizierungssystem für nachhaltigeres Palmöl, geht vielen Mitgliedern nicht weit genug. Inzwischen gibt es deswegen die sogenannte „Palmoil Innovation Group“, die zeigen will, dass die Ölproduktion auch ohne Regenwaldzerstörung geht. In der Gruppe sitzen ebenfalls Hersteller wie Umweltschützer. Für den Verbraucher ist das alles kaum durchschaubar. Ihm bleibt nur, auf die Zutatenliste der Produkte zu gucken. Und da Palmöl seit 2014 in der EU als Inhaltsstoff genannt sein muss, die Finger davon zu lassen. Mindestens kann man aber auf BioProdukte ausweichen, die allerdings auch nicht frei von Kritik sind. Denn wie nachhaltig kann ein Produkt sein, das Tausende Kilometer entfernt angebaut und nur deswegen verwendet wird, weil es billig ist? Vor 30 Jahren sprach kein Mensch über Palmöl, da reichten auch Raps-, Sonnenblumenund andere heimische Öle aus – und das auch noch in viel geringeren Mengen. Und ein Herd, um die regionalen Produkte zuzubereiten. Wir sollten uns darauf rückbesinnen. Auch aus egoistischen Gründen. Weil Umweltzerstörung, Klimawandel, Rohstoffhandel oder Landraub zu den Hauptgründen gehören, warum Menschen aus ihren Heimatländern fliehen. Und damit Sumatra-Tiger und Orang-Utans eine Überlebenschance haben.