Hamburger Morgenpost

Muss die wirklich weg?

Das Wahrzeiche­n soll abgerissen werden. Warum und was Hamburger dazu sagen

- MIKE SCHLINK mike.schlink@mopo.de

Seit mehr als 40 Jahren prägt die Köhlbrandb­rücke das Bild der Stadt, ist aus Hamburgs Skyline nicht mehr wegzudenke­n. Doch die Zeit hat an ihr genagt. Die Sanierungs­kosten steigen, der Senat befasst sich mit Alternativ­en. Doch muss die Brücke wirklich weg? Die MOPO beantworte­t die wichtigste­n Fragen.

➤ Wie ist der aktuelle Stand? Einen offizielle­n Senatsbesc­hluss gibt’s bislang nicht, dennoch deutet alles darauf hin, dass die Köhlbrandb­rücke abgerissen wird. Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) hat schon 2012 Planungen für einen „Ersatzneub­au“angestoßen. Sowohl Wirtschaft­sbehörde als auch die Hafenbehör­de HPA haben zuletzt betont, dass ein Erhalt des Bauwerks über das Jahr 2030 hinaus „nicht wirtschaft­lich“sei. Heißt: Die Sanierungs­kosten übersteige­n ab diesem Zeitpunkt die Kosten eines Neubaus. ➤ Warum wären Reparature­n

dann nicht wirtschaft­lich? Das verwundert in der Tat – schließlic­h würde ein Neubau bis zu eine Milliarde Euro kosten. Aber: Bislang musste bei der Brücke immer nur relativ wenig saniert werden, zuletzt für 60 Millionen Euro etwa die Fahrbahn. Ab 2030 aber wären die riesigen Brückenpfe­iler dran – und das würde richtig teuer, meint man im Senat. Denn: Als die Brücke in den 60er Jahren konzipiert und 1974 fertiggest­ellt wurde, war nicht abzusehen, dass heute täglich 36000 Fahrzeuge – davon 33 Prozent Lkw – über das Bauwerk rollen würden. Die Schwingung­en sorgen für massive Schäden. ➤ Wird der Verkehr dort weiter

zunehmen? Zumindest der Lkw-Verkehr stagniert seit Jahren – weil auch der Containeru­mschlag im Hafen bei rund neun Millionen TEU stagniert. Aber: Die Belastung für die Brücke könnte weiter steigen, sobald die „Gigaliner“(XXL-Lkw) in Serie gehen – dadurch würde die punktuelle Belastung für die Brücke zunehmen. ➤ Könnten die Lkw nicht woanders entlangfah­ren? In einer vom Bund in Auftrag gegebe-

nen Machbarkei­tsstudie aus dem Jahr 2008 heißt es, eine Umleitung der Schwertran­sporter auf die geplante Hafenquers­pange etwas weiter südlich würde zu „vermindert­en Unterhaltu­ngskosten und mit hoher Wahrschein­lichkeit zu einer verlängert­en Lebensdaue­r der Köhlbrandb­rücke“führen. Die Wirtschaft­sbehörde hält nach MOPO-Informatio­nen eine KöhlbrandQ­uerung für Laster an dieser aber für unumgängli­ch. ➤ Gibt es weitere Alternativ­en?

In der besagten Studie wird ebenfalls vorgeschla­gen, die Köhlbrandb­rücke nur für den Pkw-Verkehr freizugebe­n. Die Laster sollten in einem Tunnel unter dem Köhlbrand durch. Laut Senatsantw­ort auf eine Anfrage der Linken wurde diese Alternativ­e aber nie untersucht, „da die Durchfahrt­shöhe der vorhandene­nKöhlb rand brücken icht den prognostiz­ierten Schiffs größenent wicklungen auf demKöhlb rand entspricht“. Bedeutet: Die Schiffe werden immer größer und können die Brücke nicht mehr unterfahre­n – sie muss sowieso weichen. ➤ Warum sind die Schiffe ein Problem? Weil die ganz dicken Pötte eben nicht unter der 53 Meter hohen Brücke hindurchpa­ssen. „Man kann davon ausgehen, dass Schiffe mit mehr als 366 Metern Länge oder einer Kapazität von mehr als 18 000 TEU in der Regel eine Durchfahrt­shöhe von 53 Metern überschrei­ten“, heißt es vom Senat. Im Jahr 2016 traf das auf 526 Hafenanläu­fe zu. ➤ Warum müssen sie überhaupt unter der Brücke durch? Damit sie das hochmodern­en Containert­erminal Altenwerde­r anlaufen können. Ein Beispiel: Der Reederei Hapag Lloyd gehören 25,1 Prozent des Terminals. Seit der Fusion mit der United Arabic Shipping Company gehören sechs weitere Riesen-Frachter zur Hapag-Flotte. Und die will das Unternehme­n am eigenen Terminal abfertigen.

➤ Was plant die Stadt jetzt? Aktuell laufen zwei Machbarkei­tsstudien. Die erste untersucht, ob es eine neue Brücke oder einen Tunnel unter der Elbe geben soll. 2019 wird ein Ergebnis erwartet. Die zweite Studie setzt sich mit der Ausgestalt­ung und Dimensioni­erung einer neuen Brücke auseinande­r. Angestrebt wird wohl eine Höhe von 72 Metern.

➤ Wie teuer wird das? Experten schätzen die Ausgaben für einen Brückenneu­bau auf bis zu einer Milliarde Euro. Weil ein Tunnel teurer wäre, tendiert der Senat nach MOPO-Informatio­nen zu einer neuen Brücke. Die Behörden argumentie­rten zuletzt, dass Hamburg die Baukosten allein tragen müsste, da die Köhlbrandq­uerung keine Bundesfern­straße ist – und es damit keine Zuschüsse vom Bund geben würde. Allerdings: Den ursprüngli­chen Bau hat der Bund unterstütz­t – da die Köhlbrandb­rücke als Teil des Autobahnzu­bringers Waltershof gewertet wurde.

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Die Köhlbrandb­rücke gehört zum Hamburger Stadtbild – besonders schön ist sie bei untergehen­der Sonne.
 ??  ?? Fachkräfte können auch zu Fuß unter der Brücke entlanglau­fen – im Servicetun­nel.
Fachkräfte können auch zu Fuß unter der Brücke entlanglau­fen – im Servicetun­nel.
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