Darum sind Fahrraddiebe die größten Mistkerle
Räder sind für mich nicht nur Fortbewegungsmittel, sondern auch Freunde – und wenn sie geklaut werden, tut das weh. Die Täter schert das nicht: Sie haben in Hamburg leichtes Spiel
Wohl jeder Hamburger wurde schon mal Opfer von Fahrraddieben. Die meisten Räder verschwinden auf Nimmerwiedersehen. Und für den Staat ist ein Fahrraddiebstahl ein Bagatelldelikt, kaum schlimmer als das Klauen von Kaffee im Supermarkt. Dabei sollten sich die Täter in Grund und Boden schämen, meint MOPOMitarbeiter Jürn-Jakob Oesterlin.
Ein letzter sonniger, warmer Tag im Spätherbst. Noch einmal mit dem Rad zur Uni radeln, bevor es wieder gilt, sich in überfüllte Busse oder UBahnen zu zwängen. Da ich drei ziemlich teure Räder besitze, stehen diese immer im Keller unseres Mehrfamilienhauses in Niendorf.
Doch schon beim Öffnen der Kellertür breitet sich in mir eine Unruhe aus, die ich nur zu gut kenne. Nur wenige Monate zuvor wurde mir bereits eines meiner Rennräder aus dem Keller geklaut. Auf dem Weg die Kellertreppe hinunter verstärkt sich das ungute Gefühl. Warum steht hier ein Karton mitten im Weg? Der steht sonst nie da!
Hinter einer Ecke, die vom Kel- lereingang nicht einsehbar ist, habe ich das Rad abgestellt. Und jetzt ist es nicht mehr da. Es wurde gestohlen. Innerhalb weniger Monate wurden mir zwei Mal aus dem Keller meine geliebten Rennräder geklaut!
Es mag pathetisch klingen, aber ich liebe meine Fahrräder. Alle meine Fahrräder habe ich selbst repariert, gehegt und gepflegt. Wenn man so viel Zeit mit seinen Lieblingen verbringt, kennt man irgendwann jede Besonderheit, jede Macke. So ist das nun mal, wenn man verliebt ist. Und dann endet diese Beziehung einfach so über Nacht. Ohne dass ich noch einmal Tschüs sagen konnte. Das tut weh. Verdammt weh. Und dafür seid nur ihr Raddiebe verantwortlich. Ja, es sind ein paar Tränen geflossen. „Wegen eines Fahrrads?“, mag da manch einer verächtlich fragen. Aber mein Rad war für mich viel mehr als nur ein Fortbewegungsmittel. Es war ein richtig guter Freund. Jemand, mit dem man durch dick und dünn fahren konnte. Mein Fahrrad ließ mich nie im Stich. Und nun habt ihr mir meinen besten Freund weggenommen. Wisst ihr eigentlich, was ihr denjenigen antut, denen ihr den treuen Freund mit zwei Reifen entwendet? Wohl kaum. Denn sonst würdet ihr wohl noch einmal darüber nachdenken, ob ihr wirklich in unsere Keller und Gärten einbrechen wollt. 2016 wurden in Hamburg 17217 Fahrraddiebstähle polizeilich angezeigt, die Dunkelziffer dürfte noch mal ordentlich drüber liegen. Laut ADFC liegt die Diebstahlquote in Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin sehr viel höher als in Flächenbundesländern. Seit 2011 stieg die Zahl der Fahrraddiebstähle um über 30 Prozent. Doch aufgeklärt werden nur etwa vier Prozent der Diebstähle.
Die Versicherung Generali untersuchte im Zeitraum von 2012 bis 2014 in Hamburg, Berlin, Köln und München jeden Stadtteil bezüglich des Risikos, Opfer eines Fahrraddiebstahls zu werden. In Hamburg sind mit über elf Prozent der Versicherten vor allem die zentrumsnahen Stadtteile wie St.Pauli und Eimsbüttel, aber auch Ottensen und Winterhude stark von Fahrraddiebstählen betroffen. In Niendorf wird „nur“jeder 20. Versicherungskunde Opfer. Wieso aber ist Hamburg eine solche Hochburg der Fahrraddiebstähle?
Nun, zunächst einmal gilt: Dort, wo viel mit dem Fahrrad gefahren wird, werden auch viele Räder gestohlen. Aber soll das etwa heißen, ich sollte nur dort mit dem Fahrrad fahren, wo es sonst niemand tut, weil dann die Gefahr eines Diebstahls verringert wird?
Natürlich nicht. Das käme ja einer Kapitulation aus lauter Angst vor weiteren Diebstählen gleich. Und das gönne ich euch empathielosen Mistkerlen nicht!
Mein Fahrrad ließ mich nie im Stich. Doch jetzt habt ihr mir meinen besten Freund genommen.